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ARD und ZDF investieren weniger Geld in ihr Programm, als eigentlich bewilligt.
© dpa

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Wir sind kein Geheimbund!

Sowohl Perlen als auch Tatort: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist transparent und demokratisch. Ein Gastbeitrag der Intendantin vom Rundfunk Berlin-Brandenburg

Mehr Transparenz, mehr Demokratie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk!“ Diese Forderung begegnet mir oft. Meine Antwort: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist demokratisch verfasst. Ebenso wie die freie Presse ist er eine Säule der Demokratie und so transparent wie wenig hierzulande. Wir sind kein Geheimbund. Wir finanzieren uns nicht aus Steuern. Und – besonders wichtig – wir sind kein Staatsfunk.

Unser Staatsvertrag ist vorbildlich

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein Geschenk der Alliierten an die nach dem Nazi-Terror junge deutsche Demokratie. Die Länderparlamente geben in Rundfunkstaatsverträgen die rechtliche Ordnung vor. Unsere Staatsferne ist sichergestellt – auch dank des Bundesverfassungsgerichts. Im Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) kann ich nach zwölf Jahren bilanzieren: Unser Staatsvertrag ist vorbildlich, und wir arbeiten staatsfern. Wir lassen uns von keiner gesellschaftlichen Gruppe beeinflussen – weder von der Wirtschaft noch von Parteien oder Kirchen.

Die Parlamente legitimieren den Rundfunkrat, der uns kontrolliert und berät. Gesellschaftlich relevante Gruppen entsenden dessen Mitglieder. Sie vertreten die Interessen der Allgemeinheit. Deshalb ist der Rundfunkrat kein abgehobenes Expertengremium, sondern so bunt und vielfältig wie die Gesellschaft selbst: Da sitzt die Naturschützerin neben dem Vertreter des Handwerks und dieser neben dem Repräsentanten der Migranten. Dieses Gremium tagt immer öffentlich. Seine Protokolle sind im Netz nachlesbar: Transparenz total, ein Stück gelebter, repräsentativer Demokratie.

rbb-Intendantin Dagmar Reim
rbb-Intendantin Dagmar Reim
© rbb/Kristina Jentzsch

Dies zu ersetzen, etwa durch direkte Intendantenwahlen, hielte ich für riskant. Was wäre die Folge, suchte Deutschland künftig den Super-Intendanten? Mehrheiten gewinnt allein mehrheitsfähiges Programm. Ein mögliches Erfolgsrezept: Bauern finden Frauen, C-Promis gehen in den Dschungel, dann und wann ein Hollywood-Blockbuster.
Öffentlich-rechtliches Programm folgt anderen Maßstäben und ist für alle da. Es hat große Mehrheiten mit Qualitätsprogramm zu bedienen (Tagesschau, Abendschau) und kleine Minderheiten nicht zu vernachlässigen. Ein Beispiel: Zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz haben der rbb sowie Das Erste einen großen Programmschwerpunkt gesetzt. Die Resonanz unter Quotengesichtspunkten: katastrophal. Die Mehrheit der Zuschauer hatte die Karnevalssendungen bevorzugt. Ein Programm, das alle finanzieren, braucht beides: Programmperlen für kleine Gruppen sowie Tagesthemen und Tatort für Massenpublikum. Wer diese Vielfalt beschneidet, macht die Gesellschaft nicht reicher, sondern ärmer.
Apropos arm: Die Einnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, so höre ich allenthalben, steigen in schwindelerregende Höhen. Tatsächlich führt der Wechsel von der Gebühr zum Beitrag zu deutlich höheren Einnahmen. Die können wir aber nicht für Dinge verwenden, die wir immer schon gerne einmal gemacht hätten, zum Beispiel für noch besseres Programm. Das Geld liegt auf einem Sperrkonto. Wir bewilligen uns im Übrigen nicht selbst unser Geld. Wie viel für das Programm zur Verfügung steht, unterliegt demokratischer Kontrolle. Anders als oftmals behauptet, ist auch das transparent. Grundlage ist der Bericht der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“. Der aktuelle umfasst 316 Seiten, Hardcore-Lektüre, aber aufschlussreich.

Auf der Internetseite des rbb lässt sich nachlesen, wie hoch die Kosten für eine Minute Kulturradio sind und welcher Anteil vom Rundfunkbeitrag in die Abendschau fließt. Alles Weitere hat der vom Rundfunkrat gewählte Verwaltungsrat im Blick. Er kontrolliert die gesamten Finanzen des Senders – bis ins Detail. Darüber hinaus prüfen die Landesrechnungshöfe von Berlin und Brandenburg regelmäßig ausgewählte Bereiche unseres Senders. Von Intransparenz oder Demokratieresistenz kann daher keine Rede sein. Reden allerdings sollten wir darüber, wofür wir erfunden worden sind: über unser Programm. Jeder darf und kann mitreden. Darüber lässt sich trefflich streiten.

Die Autorin ist Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb).

Dagmar Reim

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