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Hip in blau und auch angesagt bei jungen Wählern: Angela Merkel (CDU).
© dpa

Merkels Wahlsieg: Willkommen in der schwarzen Republik!

Wer sich nach der Bundestagswahl eine Karte der Wahlkreise in Deutschland anschaute, sah ein tiefschwarzes Land. Doch hinter Merkels Triumph steckt nicht nur eine Absage an Rot-Grün - die Wähler haben sich mit ihrem Votum noch von etwas ganz anderem verabschiedet.

Ein Bild prägt sich von dieser Wahl tief ein. Es ist das von der „schwarzen Republik“. Zu sehen sind alle 299 Wahlkreise in Deutschland, von denen 237 direkt an die Union gegangen sind. Schwarzes Land mit roten Tupfern. Auffallend ist die Entwicklung in den fünf Ost-Ländern. Auch hier triumphierte die CDU und gewann, bis auf eine Ausnahme in Brandenburg, alle Direktmandate. Hinzu kommt, dass die Union in allen Altersklassen stärkste Partei geworden ist. Sowohl bei den Erstwählern als auch bei den 18- bis 24-Jährigen liegt sie vorn. Die Gleichung jung gleich links stimmt nicht mehr. Angela Merkel kann hip sein.

Mindestlohn, Bildung, NSA, Drohnen, Steuern, Gerechtigkeit: All das waren und sind relevante Themen. Doch viele äußeren Merkmale sind bei dieser Wahl zu gering gewichtet worden. Nur wenige Wähler studieren Parteiprogramme und lernen den Unterschied zwischen Mindestlohn und Lohnuntergrenze. Entscheidender ist die Imagediskrepanz zwischen der fleißigen, bescheidenen, unprätentiösen Frau Kanzlerin und den hanseatisch oder niedersächsisch geprägten, etwas polternden, mitunter gar zum Vulgären neigenden West-Männern Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin. Die Union wurde von 44 Prozent aller Frauen gewählt. Darin steckt auch die Absage an Insignien überkommener Maskulinität.

Rot-Grün konnte mit Themen nicht punkten

Das Bürgertum lebt gern Toleranz, macht aber ungern Bohei daraus. Deshalb konnte Rot-Grün selbst bei Themen wie Integration, Emanzipation, moderne Familie und Multikulti nicht punkten. Gelebte Vielfalt überzeugt eben mehr als gepredigte Vielfalt. An der Spitze des Landes stand eine kinderlose, wieder verheiratete Frau aus dem Osten, an ihrer Seite ein schwuler Außenminister, der Vizekanzler stammte aus Vietnam, die siebenfache Mutter und politische Powerfrau Ursula von der Leyen tourte im Wahlkampf durch sämtliche Talkshows. Gegen die Wucht solch praktizierter Heterogenität und geschlechtspolitischen Pragmatismus kommen programmatische Forderungen wie Adoptionsrecht für Homosexuelle und doppelte Staatsangehörigkeit nicht an. Das rot-grüne Projekt als kulturell gesellschaftsprägende Kombination hat sich nicht nur überholt, es ist mausetot.

Die Partei kämpft für sich alleine

Das heißt: Mehr als zuvor kämpft jede Partei für sich allein. Die Union hat es vorgemacht, indem sie der Zweitstimmenkampagne der FDP eine Abfuhr erteilte. SPD und Grüne werden folgen und sich aus ihrer Umklammerung lösen müssen. Da die rot-rot-grüne Option für diese Legislaturperiode definitiv ausscheidet – nicht nur, weil es sich um den größten Wählerbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik handeln würde, sondern auch, weil die parlamentarische Mehrheit vor der Union zu knapp und ein solches Bündnis zu fragil wäre –, haben SPD und Grüne nur die Alternative, als Juniorpartner selber mitzuregieren oder durch Verweigerung wegen übergroßer Identitätsverlustangst die jeweils andere Partei in eine Koalition mit der Union zu treiben.

Und wenn keine der beiden Parteien über den Schatten ihrer Bedenken springt und stattdessen Neuwahlen anstrebt? Dann würden sie höchstwahrscheinlich vom Wähler erneut abgestraft, außerdem käme womöglich die FDP wieder in den Bundestag. Man sieht: Für SPD und Grüne kann es durchaus noch schlimmer kommen als bislang. Je eher beide Parteien das einsehen, desto besser für sie. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass nicht etwa eine böswillige Merkel jeden Koalitionspartner erdrückt und erdolcht, sondern dass sich SPD und FDP ihr jeweiliges Debakel in der Vergangenheit selbst zuzuschreiben haben.

Verdrängung, Wut und Depression münden nach gelungener Trauerarbeit in die Akzeptanz der neuen Realität. Das muss noch nicht morgen sein. Aber spätestens nach dem Wochenende sollte die Zeit der Ausreden und des Wundenleckens für Sozialdemokraten und Grüne vorbei sein.

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