Chemiewaffeneinsatz: Wie Obama im Fall Syrien versagt
Was sich Barack Obama zu Syrien leistet, gehört zu den Tiefpunkten seiner Außenpolitik. Erst kündigt er Militärschläge als Antwort auf den Chemiewaffeneinsatz an, dann greift er erleichtert nach dem Strohhalm Wladimir Putins. Inzwischen klaffen Worte und Taten bei ihm weit auseinander.
In Abwandlung einer Satzes von Karl Kraus lässt sich über den amerikanischen Präsidenten derzeit sagen: Es genügt nicht, keinen Plan zu haben, man muss auch unfähig sein, ihn umzusetzen. Denn was sich Barack Obama zu Syrien leistet, gehört zu den Tiefpunkten seiner Außenpolitik. Erst zieht er eine rote Linie, dann will er sie nicht mehr gezogen haben. Erst bindet er den Kongress ein, dann betont er, auf dessen Votum bei seinen Entscheidungen keine Rücksicht nehmen zu müssen. Erst kündigt er Militärschläge als Antwort auf den Chemiewaffeneinsatz an, dann greift er erleichtert nach dem Strohhalm Wladimir Putins, demzufolge Syrien seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle bringen werde – was Experten schon tags darauf für unrealistisch halten –, nur um am Abend, in seiner „Rede an die Nation“, erneut die Notwendigkeit einer entschiedenen Reaktion auf dieses „Verbrechen gegen die Menschheit“ zu betonen.
Ja, was denn nun? Man fühlt sich bei diesem rhetorischen Zickzackkurs an folgende kleine Geschichte erinnert. Ein Dieb wird gefasst, der eine Goldkette gestohlen hat. Er wird vor den Richter gebracht. Der fragt den Dieb, was dieser zu seiner Entschuldigung vorzubringen habe. Darauf der Dieb: Dreierlei, Herr Richter. Erstens habe ich diese Kette nicht gestohlen, da sie mir gehört. Zweitens geschieht es der Frau ganz recht, dass sie ihr gestohlen wurde, weil sie zu reich ist. Und drittens habe ich diese Kette noch nie zuvor gesehen.
Was will Obama in Syrien? Das weiß er offenbar selbst nicht. Afghanistan, Irak, Libyen: Das sind abschreckende Beispiele für westliche Interventionen. Im Unterschied zum Kosovokrieg ist nun nicht einmal die Nato dabei. Großbritannien und Deutschland auch nicht. Eine Mehrheit im Kongress für seinen Kurs ist unwahrscheinlich. Und Baschar al Assad stürzen? Dann greift die alte Porzellangeschäft-Regel: Was kaputt geht, wird bezahlt. Mit anderen Worten: Amerika hätte die Neuordnung des Landes am Hals – mit den Resten des alten Regimes, den Dschihadisten und Nihilisten, dem Zwist zwischen Sunniten und Schiiten, den arbeitslosen Jugendlichen und der rückständigen Sozialstruktur.
Obamas Dilemma: Je drastischer er das Leiden der mit Giftgas ermordeten Kinder, Frauen und Männer beschreibt, desto weiter klaffen Wort und Tat bei ihm auseinander, desto verwirrender wird sein Kurs für Freund und Feind. In seiner Rede an die Nation fragte er: „In welcher Welt werden wir leben, wenn die Vereinigten Staaten von Amerika sehen, wie ein Diktator gegen internationales Recht verstößt und Giftgas einsetzt und wir beschließen, in eine andere Richtung zu blicken?“ Auf diese Frage dürfte es bis auf Weiteres keine Antwort geben.
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