Zu viele Alternativen: Wie die Wähler die AfD zur Protestpartei machen
Die AfD will keine Protestpartei sein - doch am Ende könnten die Wähler sie dazu machen. Denn das Gefühl der Ohnmacht ist groß in diesem Wahlkampf. Sollte die AfD erfolgreich sein, könnte am Ende auch die Stigmatisierung durch die politische Konkurrenz dafür verantwortlich sein.
Wenn es mal nicht um den Euro geht, dann beansprucht die „Alternative für Deutschland“ gerne politischen Welpenschutz. Die Partei, die aus Kritik am Euro heraus entstanden ist, sei noch nicht einmal ein halbes Jahr alt; deshalb könne man nicht zu allem und jedem eine Meinung haben, heißt es dann oft. Dieser Sicht lag durchaus auch Kalkül zugrunde: AfD-Chef Bernd Lucke nahm eine gewisse politische Unschärfe von Anfang an in Kauf, in dem Bewusstsein, dass es Wähler gibt, die mit dem Angebot der „Altparteien“, wie es im AfD-Jargon heißt, unzufrieden sind.
Als „Protestpartei“ lässt sich die AfD zwar nicht gerne bezeichnen – es könnte aber sein, dass die Wähler sie am 22. September genau dazu machen werden. Sie ist auch schon längst keine Bewegung mehr, die sich bei den eher trockenen Euro-Ausstiegsszenarien ihres unumstrittenen Chefs Lucke aufhält. Hinter den Kulissen tobt ein Machtkampf zwischen einem liberalen Flügel, zu dem sich viele ehemalige FDP-Mitglieder zählen, und einem konservativen Teil, bei dem die Grenzen zum Rechtspopulismus durchaus fließend sind. Da geht es dann um die Frage, ob die Homo-Ehe richtig ist, ob die Atomkraft ein Comeback erleben oder ob es ein Recht auf „Homeschooling“ geben soll.
Im Wahlkampf wurden diese Auseinandersetzungen zunächst zurückgestellt – und so spricht die AfD ganz bewusst ein Gefühl von Ohnmacht an, das nicht wenige Bürger in diesen Tagen spüren dürften. Der bisherige Wahlkampf entpuppt sich als Farce und sowohl Regierung als auch Opposition verwenden wenig Mühe darauf, ihr Handeln in der Vergangenheit zu erläutern und ihre Konzepte für die Zukunft zuzuspitzen.
An dieser Stelle schließt sich der Kreis zur Euro-Frage. Es könnte nämlich sein, dass gerade die geisterhafte Abwesenheit des Euro-Themas der neuen Protestpartei am Wahltag doch noch entscheidende Stimmen bringt. Tatsächlich ist es das Verdienst von Lucke und seinen Professorenkollegen, die Frage gestellt zu haben, welche Architektur Europa haben soll. Angreifbar allerdings sind Luckes Konzepte durchaus – es hätte der politischen Konkurrenz gut angestanden, sich mit den Inhalten der AfD auseinanderzusetzen, statt generell von Verantwortungslosigkeit zu reden oder die AfD-Aktivisten als schlechte Europäer zu brandmarken. Wenn jetzt bei der CDU spät – vielleicht zu spät – damit begonnen wird, die eigene Euro-Politik zu erklären, ist auch das eine Folge der AfD-Gründung.
Die Versuche, die „Alternative“ pauschal als rechtspopulistisch zu verunglimpfen, haben sich jedenfalls als untauglich erwiesen. Allerdings wird auch die AfD akzeptieren müssen, dass das politische Geschäft vor allem auch eines ist: hart. Den politischen Welpenschutz, den sie einfordert, kann sie deshalb schon bei dieser Wahl nicht in Anspruch nehmen. Und ein AfD-Wähler wird sich am Ende auch überlegen müssen, wie sehr er bereit ist, in eine politische Wundertüte zu investieren, wenn es darum geht, den eigenen Unmut zu artikulieren.