Kolumne "Kurz gesagt": Welche Interessen Iran in den Atomverhandlungen verfolgt
Iran geht es in den Atomverhandlungen nicht nur um die Lockerung der Sanktionen, meint unser Gastautor Walter Posch. Auch die innenpolitische Mäßigung Irans sowie das Erstarken Al Qaidas in der Region dürften zu einer konstruktiven Haltung des Landes in den Atomgesprächen beitragen.
Die katastrophale Wirtschaftslage Irans wird von Beobachtern vielfach als das zentrale Motiv der Regierung unter dem neu gewählten Präsidenten Ruhani angesehen, den Atomstreit - und damit die Sanktionen gegen das Land - so schnell wie möglich zu beenden. Es gibt jedoch weitere Gründe: So spielen vor allem die innenpolitische Mäßigung und der neue Konsens in der Sicherheitselite des Landes, aber auch die veränderte Lage in der Region eine wichtige Rolle.
Zu Beginn der Atomverhandlungen standen sich in Teheran in der Nuklearfrage zwei verschiedene politische Lager gegenüber: jene, die in guter revolutionärer Tradition davon ausgingen, dass der Westen vor allem wegen der islamischen Identität des Landes und wegen seiner unabhängigen – sprich antiwestlichen - Politik insgeheim an einem Regimewechsel arbeite. Die Verhandlungsbereitschaft des Westens ist nach dieser Lesart nur vorgetäuscht und eine Lösung unmöglich. Dem wurde von den Reformisten unter Chatami und den von Rafsandschani geführten Pragmatikern entgegengehalten, dass eine Verhandlungslösung möglich und notwendig und mit entschlossener und konstruktiver Verhandlungsführung auch zu erreichen sei. Das Entgegenkommen Chatamis in den Jahren 2004 und 2005 (Anreicherungsstopp, Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag) ist vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung zu verstehen. Revolutionsführer Chamenei, dessen Aufgabe es ist, alle Strömungen des Regimes zusammenzuhalten, stand damals wie heute ungeachtet seiner persönlichen Ansichten – er gilt als ausgesprochener Kritiker des Westens - zwischen beiden Positionen und hat den konstruktiven Fortgang der Gespräche unter Chatami nicht behindert.
Ahmadinedschad ruinierte Irans Verhandlungsposition
Komplizierter wurde die iranische Position während der Präsidentschaft Ahmadineschads. Der begnadete Populist ruinierte die iranische Verhandlungsposition mit seinen berüchtigten Aussagen über Israel und den Holocaust. Doch eigentlich war gerade er sehr an einer Einigung in der Nuklearfrage und in diesem Zusammenhang an einer Verbesserung des iranisch-amerikanischen Verhältnisses interessiert, eine Haltung, mit der er seine Anhänger irritierte. Gegen Ende seiner Amtszeit, spätestens ab Ende 2011, wurden die Absichten Ahmadineschads klarer: mit einer Einigung in der Nuklearfrage und einem besseren Verhältnis zu den USA hätte es ihm gelingen können, innenpolitisch mehr Macht an sich zu reißen, als iranischen Präsidenten vom politischen System des Landes zugestanden wird. Seine stille Entmachtung durch den Revolutionsführer ab 2012 ging mit der Stärkung der Position des Nuklearverhandlers Dschalili einher, dessen Politik als »Widerstandsdiplomatie« von jenen gut vernetzten extremistischen Kreisen gelobt wurde, die sich enttäuscht von Ahmadineschad abgewandt hatten.
Innenpolitische Mäßigung und regionale Veränderungen
Doch bei den Präsidentschaftswahlen 2013 wurde deutlich, dass kein iranischer Präsident ein politisches Mandat bekommt, wenn er auf Konfrontation in der Gesellschaft und mit der internationalen Gemeinschaft setzt. Bis auf Dschalili und dem weitgehend unbekannten Gharazi sprachen sich alle Kandidaten für Dialog mit der internationalen Gemeinschaft aus, darunter auch solche wie der Bürgermeister von Teheran, Qalibaf, die vor fünfzehn Jahren noch einen harten Kurs vertraten. Diese außen- und innenpolitische Mäßigung im Lager der politischen Rechten (der sogenannten Prinzipalisten) begann nach 2009, als dem Regime klar wurde, dass es das Vertrauen der Bevölkerung wenigstens teilweise zurückgewinnen muss. Dazu gehörte die Rückkehr erfahrener Technokraten aus dem Lager Rafsandschanis, die Integration einzelner Reformisten und die Unterstützung durch die wichtigsten Vertreter der politischen Rechten. Sie alle vertreten einen außenpolitischen Kurs, der die nationalistisch (und nicht islamistisch!) definierten Interessen Irans wahren, die Isolation beenden und dadurch zu Sanktionserleichterungen führen soll. Mit dem erfahrenen Dr. Hasan Ruhani, der einer der wichtigsten Kleriker aus dem iranischen Sicherheitsapparat ist und das volle Vertrauen Chameneis genießt, wurde außerdem sichergestellt, daß keine der extremistischen Splittergruppen es wagen wird, den Verhandlungsprozess mit der internationalen Gemeinschaft ernsthaft zu stören. Innenpolitisch gab es nie so viel Unterstützung für eine Verhandlungslösung, und niemals seit der Revolution wurde so offen über ein mögliches Arrangement mit den USA in Teheran gesprochen.
Einer der Gründe dafür ist die gemeinsame Bedrohung des Westens und Irans durch jene terroristischen Netzwerke, die unter »Al Qaida« firmieren. So hat sich die iranische Position in Syrien von einer offensiven, in der das Asad-Regime zum Zwecke der strategischen Machtprojektion unterstützt wird (mit der »Achse des Widerstandes« gegen Israel), zu einer defensiven gewandelt, in der es hauptsächlich um die Bekämpfung der Al Qaida geht. Die Konfessionalisierung des Konflikts in Syrien, aus der sich ein schiitisch-sunnitischer Flächenbrand in der gesamten Region entwickeln kann, macht die Dreieckskonfrontation zwischen den USA, Iran und den Al-Qaida-Netzwerken für Teheran immer schwieriger und unhaltbarer. Ein stilles Arrangement mit den USA über die Regionalpolitik wird daher aus Teheraner Sicht immer wichtiger – und dies ist nur mit einer Lösung des Atomkonflikts möglich.
Der Artikel erschien zuerst auf der Homepage der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in der Rubrik Kurz gesagt. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik.
Walter Posch
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