Absturz der Liberalen: Weg-Ruf für die FDP statt Weckruf
Die FDP hat sich versteuert – zwei Drittel ihrer einstigen Wähler wollen sie nicht mehr. Aber das Brot der FDP, der Liberalismus, ist nicht komplett verschimmelt. Ein Kommentar.
Von einem „Weckruf“ hatte der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler vor einer Woche gesprochen, und davon, dass in Bayern die Uhren anders gingen. Doch Rösler hat sich vertan, und er hat sich verhört. In Bayern war die Uhr für die Liberalen nur eher abgelaufen als anderswo, und der vermeintliche Weckruf stellt sich als Weg!-Ruf heraus. Weg mit dieser FDP, weg mit dieser Führung, weg mit dieser Art von Liberalismus. Wer innerhalb von nur vier Jahren als Regierungspartei zwei Drittel seiner Wähler verliert, ist am Ende, so oder so.
Oder an einem neuen Anfang. Denn auch so kann man es sehen: Die Wähler haben zwar Rainer Brüderle die Butter vom Brot genommen, die der körperlich angeschlagene und als altväterlicher Schürzenjäger angegriffene Spitzenkandidat in einem Wahlspot noch satt verstrich; aber das Brot der FDP, das ist nicht komplett verschimmelt. Das Brot der FDP ist der Liberalismus. In seiner letzten Variante kam er allerdings nur noch als pomadiges Einstecktuch daher.
FDP gibt kein gutes Bild ab
Was ist hängen geblieben von der Politik der FDP in den vergangenen Jahren, welche Botschaft verbindet sich mit ihrem Wahlkampf? Steuern, immer nur Steuern. Beim vergangenen Mal ging es ihr darum, die Steuern zu senken, das machte sie dann auch: Die Hoteliers sagten Danke. Man kann den Ärger der Liberalen verstehen, dass sich fortan und bis heute wegen dieses nicht ganz kleinen, unvergessenen Geschenks an ihnen gewogene, parteispendenfreudige Unternehmen Häme über sie ergießt. Eine Reduzierung der Mehrwertsteuer für Hotels hatten auch die Linken in ihrem Wahlprogramm; Sozialdemokraten forderten sie hier und dort ebenso wie die Grünen in Bayern. Aber es kommt in der Politik eben nicht nur darauf an, was einer macht, sondern wie, wann und warum. Und da gibt die FDP kein gutes Bild ab. Sie wirkt opportunistisch und unfrei, eine ganz blöde Kombination, gerade für Liberale.
Jetzt geht es um Deutschland!, rief Rösler vergangene Woche
In diesem Wahlkampf hieß die Parole nun: Nur mit uns keine neuen Steuern. Als stellte sich hier eine Macht zur Wahl, die verhindern könnte, was nach Lage der Dinge nicht zu verhindern ist. Was für ein Kontrast zum eigenen Auftritt, der zunehmend komisch, nach der Bayernwahl komikerhaft wirkte. Jetzt geht es um Deutschland!, rief Rösler vergangene Woche nach seinen gerade mal drei Prozent im Süden. Hoffen wir zu seinen Gunsten, dass ihm das selbst zumindest auch ein klein wenig lächerlich vorkam, so wie dem Rest der Republik.
In diesem Jahr jährte sich zum 40. Mal der Tod von Karl-Hermann Flach, einst Generalsekretär der FDP, Wegbereiter der sozialliberalen Richtung seiner Partei. „Noch eine Chance für die Liberalen“ war ein Essay von ihm überschrieben, der bis heute als eine Art Blaupause für einen anderen Liberalismus gilt. Viele Thesen von damals halten der heutigen Zeit nicht mehr stand. Aber dass die Befreiung des Liberalismus aus seiner Klassengebundenheit die Voraussetzung für seine Zukunft sei, das klingt nach dieser Bundestagswahl so verrückt eigentlich nicht.