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Thomas Schreiber
© dpa

ARD und Xavier Naidoo: Waterloo

Als ARD-Unterhaltungskoordinator hat Thomas Schreiber dem Ersten das ESC-Debakel um Xavier Naidoo eingebrockt. Ein Porträt.

Thomas Schreiber darf man sich gerade als einsamen Menschen vorstellen. Über seine Nebentätigkeit als ARD-Unterhaltungskoordinator hat der Leiter des Programmbereichs Fiktion & Unterhaltung beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) die ARD in eine peinsame Lage gebracht. Erst hat er Soulsänger Xavier Naidoo – laut Schreiber weder homophob noch rechtsextrem – als deutschen Vertreter für den „Eurovision Song Contest“ 2016 nominiert, dann, als der Gegenwind kam, hat er Naidoo wieder denominiert. ARD-Programmdirektor Volker Herres hat Schreiber öffentlich kritisiert, weil er die Wahl Naidoos nicht ARD-intern habe diskutieren lassen. Nach dieser Lesart hat Schreiber den Senderverbund alleine ins unglückselige Hin und Her gestürzt. Alles Schreibers Schuld, keiner in der ARD, nicht mal sein eigener Intendant Lutz Marmor, hat ihn verteidigt.

Niemand hat ihn verteidigt

Das war mal ganz anders, damals, als Lena den ESC 2010 in Oslo gewann, als Stefan Raab und Thomas Schreiber ganz alleine Lena für den ESC 2011 in Düsseldorf nominierten. Es hagelte Lob und Preise, der gebürtige Kölner hatte alles richtig gemacht, was der ARD-Unterhaltungskoordinator jetzt alles falsch gemacht hatte.

Diese Aufgabe hat der 56-Jährige nicht willentlich angestrebt. Er war Lektor im Haffmans Verlag Zürich, von 1983 bis 1985 Mitarbeiter der Arno-Schmidt-Stiftung, eines Autors, von dem und über den Schreiber verschiedene Bücher herausgegeben hat. 1988 kam er zum NDR, als Volontär, dann als Redakteur der „Tagesthemen“. Wechsel zum Hörfunk, als London-Korrespondent für NDR und WDR, 1999 Wechsel zum Fernsehen, Schreiber wurde Leiter des Programmbereichs Kultur/Fernsehen in Hamburg, 2007 dann Fiktion & Unterhaltung plus Unterhaltungskoordinator der ARD. Wie bei anderen Koordinatoren im Senderverbund ist das eine verzwickte Mission: Der Koordinator ist mittellos, er muss aus den Angeboten der Landessender prickelndes Entertainment fürs Erste zusammenfügen. Bei Erfolg rühmt sich dann der jeweilige Sender für eigene Brillanz, bei Nichterfolg hat der Koordinator was falsch koordiniert.

Nur beim ESC läuft alles auf NDR und Schreiber zu. Der vielleicht kultivierteste Unterhalter in der ARD sieht sich jetzt herausgefordert, ein neues Konzept für die deutsche Vorauswahl zu finden, das auch durch das Nadelöhr des Tugendwahns passt. Von einer Win-win-Situation möchte da keiner sprechen.

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