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Meine Frau, ihr GARTEN… und ich: Was Pflanzen alles können

Meine Frau spricht hin und wieder mit ihren Pflanzen. Ob ich vielleicht zu oft weg bin? Ich meine, was hat so ein Rhododendron, was ich nicht habe?

„Was erzählst du denen denn so?“, wollte ich also wissen. „Ach“, sagte sie, „nichts Besonderes. So Sätze wie: Was hast du denn, wenn eine mal den Kopf hängen lässt.“ Wann hatte sie so etwas das letzte Mal zu mir gesagt? Kurz dachte ich daran, einfach mal den Kopf hängen zu lassen.

Pflanzen können ja gar nicht reden, glaubte ich wenigstens. Bis mir dann dieser Tage ein gerade erschienenes Buch in die Hände fiel: „Die Intelligenz der Pflanzen“ von Stefano Mancuso und Alessandra Viola. Mancuso leitet an der Universität in Florenz das Labor für Neurobiologie der Pflanzen.

Seitdem ich das Buch gelesen habe, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob man im Grunde den Tierschutz nicht auch auf die Pflanzenwelt ausdehnen müsste. Was natürlich jeden Veganer zutiefst verstören würde. Wenn wir auf pflanzliche Nahrung verzichten wollten, was bliebe denn da noch? Auf jeden Fall sollte ich ein wenig mehr auf die eigene Wortwahl achten, wenigstens im Garten. Formulierungen wie „vor sich hin vegetieren“ stellen eine krasse Diskriminierung dar, die ganz offensichtlich die Realitäten nicht widerspiegelt.

Das fängt schon mit dem Kleinsten an: Pflanzliche Zellen sind komplexer als tierische. Sie haben ein kleines Organ mehr: die Chloroplasten, in denen die Fotosynthese stattfindet. Es geht damit weiter, dass Pflanzen ebenfalls sehen, riechen, schmecken, hören und fühlen können, auch wenn sich ihre Sinnesorgane von unseren unterscheiden. Das ändert nichts daran, dass sie geeignete Rezeptoren haben, die hell und dunkel wahrnehmen, Schwingungen aufnehmen oder über Düfte und Farben kommunizieren, nicht nur untereinander, sondern auch mit Tieren, und die daraus gewonnenen Informationen verarbeiten. Warum sonst wüsste das Schneeglöckchen, dass es an der Zeit ist, mal zu gucken, was an der Oberfläche so los ist?

Mancuso zählt sogar 15 weitere Sinne, mit denen Pflanzen selbst entfernte Wasserquellen ausmachen, Schwerkraft und elektromagnetische Felder erkennen sowie diverse Chemikalien. Fähigkeiten, die sich der Mensch zunutze machen sollte.

Am Ende steht eine sensationelle Erfolgsgeschichte: Pflanzen machen zwischen 99,5 und 99,8 Prozent der Biomasse auf der Erde aus, der Rest bleibt für Mensch und Tier. Teil des Erfolgs ist der modulare Körperbau. Wird da mal was abgeschnitten, funktioniert der Rest immer noch. Ist bei uns der Kopf ab, haben wir keine Ohren mehr. Unter anderem.

Wenn wir also die Pflanzen bislang nicht verstanden haben, dann, weil wir sie nicht hören können. Zum Glück, wäre ja sonst ganz schnell vorbei mit der Idylle im Garten. Andreas Austilat

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