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Hussein K. (rechts) verlässt den Gerichtssaal nach dem Urteil.
© Thomas Kienzle/AFP

Lebenslänglich für den Mord an Maria L.: Was der Fall Hussein K. zur Asyldebatte beiträgt

Lebenslänglich für Hussein K.: Die Strafe für den Mord an Maria L. ist gerecht und bestens begründet. Das Urteil bietet zudem Chancen, die Diskussion um Flüchtlinge und Einwanderung zu verbessern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Es konnte wenig Zweifel bleiben, dass das Urteil gegen Hussein K. hart ausfallen würde. Nach dem Teilgeständnis, das er selbst zu Beginn des Mordprozesses um den Tod der 19-jährigen Freiburger Studentin Maria L. abgelegt hatte, hat das Gericht im Verlaufe der zwei Dutzend Verhandlungstage weitere Erkenntnisse hinzugefügt, die ein Bild doppelter Grausamkeit von Tat und Täter malten: Hussein K. war, als er Maria L. vom Fahrrad zerrte, darauf aus, sie zu vergewaltigen, er hat sie über diesen Gewaltakt hinaus durch Bisse und Würgen misshandelt und er hat sie bewusst so ins Wasser der Dreisam gelegt, dass sie ertrinken musste.

Lügen und tief sitzender Frauenhass

Unter der Verhandlungsführung der zu Recht gelobten Richterin Kathrin Schenk hat man in Freiburg tief gegraben, um die relevanten Tatsachen alle ans Tageslicht zu befördern. Das Auslesen der Handydaten von Hussein K. erbrachte sogar Hinweise auf die Dauer des Verbrechens, ein Anruf Schenks und des Dolmetschers in Teheran entlarvte auch weitere Lüge des Angeklagten, sein Vater sei von Taliban ermordet worden - der angeblich Tote war zu sprechen.

In diesem Prozess wurde im Sinne der Wahrheitsfindung fast wörtlich die Stecknadel im Heuhaufen gesucht - hier war es ein Zahn, den die Ermittler in Hussein K.s Wohnung fanden und der es erlaubte festzustellen, dass der Mörder sicher bereits erwachsen ist, eventuell 26 Jahre alt.

Ein gerechtes Urteil, das das Gericht mit nüchterner, zugleich bewundernswert akribischer Arbeit vorbereitet hat. An der schweren Schuld der Täters sind nach diesem Prozess keine vernünftigen Zweifel möglich. Dass das Urteil Sicherungsverwahrung möglich macht, was die vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren ausschließen würde, ist ebenso vernünftig.

Von Hussein K., einem Menschen offenbar ohne Empathie und mit tiefsitzender Frauenverachtung, wären, so der psychiatrische Gutachter, weitere einschlägige Verbrechen zu erwarten; in Griechenland hatte er bereits vor Maria L. eine Frau beinahe ums Leben gebracht.

Aber natürlich war dieser Fall keiner wie alle anderen. Dass der Mörder ein junger Afghane ist der in Deutschland Asyl wollte - damit ist dieser Kriminalfall mitten in der seit Jahren heiß laufenden Asyldebatte in einem Land, das darüber inzwischen bis in Familien und Freundeskreise hinein gespalten ist.

"Sozialschmarotzer" gegen "edle Fremde"

Und so gut es war, dass das Freiburger Landgericht den Prozess von diesem Aspekt freihalten wollte, gibt er die Chance, diese Debatte zu bereichern. Ja, es stimmt: Dass jemand aus Afghanistan oder Syrien stammt, macht ihn nicht zu einem besseren Menschen. Mit den Flüchtlingen sind auch solche gekommen, die wie Hussein K. gar keine Flüchtlinge sind. Und es ist nicht auszuschließen, dass auch unter den Hunderttausenden, die Schutz brauchen, der ein oder andere mit dem Charakter eines Hussein K. ist: Frauenhasser, brutale Mörder, Typen, denen die eigenen Interessen alles und die der andern nichts bedeuten, die sich lieber von gutverdienenden Pflegefamilien aushalten lassen und mit Wodka im Park abhängen, als eine bescheiden bezahlte Schreinerlehrer anzutreten.

Immer wieder ist die Flüchtlingsdebatte eine Märchenstunde, in der der Popanz von der flächendeckenden "Einwanderung in die Sozialsysteme", dem Bild der Geflüchteten als "Sozialschmarotzer" von der anderen Seite das des edlen Fremden entgegengehalten wird, des ewigen Opfers, der stets Traumatisierten. Das hat, wie sich im Freiburger Prozess herausstellte, auch den Blick der Helfer in Behörden wie im Ehrenamt getrübt, die es mit Hussein K. zu tun bekamen und seinen teils faustdicken Lügen aufsaßen.

Es ist kein kleines Verdienst dieses Mordprozesses, dass er, quasi nebenher, an einem konkreten Fall Ansatzpunkte zum Nachdenken eröffnet, die weit über ihn hinausgehen. Gleichzeitig bietet er in seiner vorurteilsfreien Gründlichkeit keine, das oder die Fremden zu dämonisieren. Man wird sehen, ob die Lektion von Freiburg genutzt wird.

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