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Ob man mit diesem Mann über sein Anliegen reden kann?
© dpa

NPD-Verbotsverfahren: Vorsorge bei der Nachsorge

Das Bundesverfassungsgericht fordert im Verbotsverfahren gegen die NPD mehr Belege über die Abschaltung von V-Leuten. Das ist gut. Womöglich ist das Spitzelwesen rechtsstaatlich unbeherrschbar und muss auf neue Grundlagen gestellt werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Peter Richter ist ein begabter Rechtsanwalt und wählt sich gerne große Gegner. Vielleicht vertritt er deshalb die NPD. Mit dem Beschluss des Verfassungsgerichts zum Verbotsverfahren ist seine Strategie aufgegangen, die Spitzelproblematik zur ersten Hürde des Verfahrens aufzubauen. Die Richter folgen seinen Anträgen, für die Abschaltung und das Ende der sogenannten Nachsorge von V-Leuten Belege einzufordern.

Ein Beschluss, über den sich jeder, der ein Interesse an der Zerschlagung der NPD hat, freuen könnte. Das Gericht befindet sich im Vorverfahren und hat zu prüfen, ob der Verbotsantrag des Bundesrats „als unzulässig oder nicht hinreichend begründet“ zurückzuweisen ist. Die Nachforderung soll eine offene Flanke schließen, besser jetzt als später. Der Bundesrat hätte auch gleich Belege mitliefern können. Wollte er aber nicht, weil die Exekutive mit ihrer V-Mann-Praxis traditionell geheimniskrämert. Und weil Gerichte der Exekutive glauben sollen, was diese verspricht. Das alte Problem, hoffentlich nicht die alte Überheblichkeit.

Der Fingerzeig aus Karlsruhe muss deshalb kein schlechtes Zeichen für den weiteren Verfahrensgang sein. Er kann helfen, ein Verbotsurteil wasserdicht zu machen. Sollten die Länder dagegen nicht liefern können und sollte das Verfahren früher oder später erneut am V-Mann-Komplex scheitern, wäre ein anderer Sachverhalt gerichtsfest erwiesen, über den dann ein politisches Urteil zu sprechen wäre: Das amtliche Spitzelwesen ist rechtsstaatlich unbeherrschbar. Es muss auf völlig neue Grundlagen gestellt oder aber aufgegeben werden.

Man muss der NPD nicht nahestehen, um auch den zuletzt geschilderten Ausgang des Geschehens für begrüßenswert zu halten. Schließlich war die Partei noch nie so unbedeutend wie heute, da – angeblich – alle Spitzel aus ihrer Spitze abgezogen wurden. Manchen Verfassungsfeind gäbe es wohl gar nicht ohne staatliche Alimentation. Da drängt sich die Frage auf, ob nicht auch andere verfassungswidrige Organisationen geschwächt werden könnten, wenn der Verfassungsschutz endlich darauf verzichten würde, sie mit seinen gekauften Szene-Zuträgern zu durchdringen. Vielleicht ist es an der Zeit, das mal auszuprobieren.

Auch diese Variante bleibt möglich: Die NPD ist überhaupt nicht verfassungswidrig, jedenfalls nicht in verbotswürdiger Weise. Der Antrag wird zurückgewiesen, bevor überhaupt verhandelt wird. Oder danach. Politiker malen dies als Horrorszenario aus. Warum? Sie hätten plötzlich keinen gemeinsamen Feind mehr, einen über den sie sich zuverlässig erheben. Die Neonazis, sie wären der rechteste Teil in ihrer Mitte. Eine Zumutung. Wie Demokratie überhaupt eine Zumutung sein kann, ebenso wie die Ergebnisse von Gerichtsverfahren. Angst davor braucht trotzdem niemand zu haben.

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