Kampfpanzer für Saudi-Arabien: Unheimlich geheime Waffenexporte
Bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr braucht die Regierung die Zustimmung des Bundestags, bei Waffendeals wird jedoch in kleinem Kreis verhandelt. Dabei haben die Abgeordneten es selbst in der Hand, sich das Recht auf Kontrolle zu nehmen.
Der Gegensatz könnte größer kaum sein: Wenn die Bundesregierung deutsche Soldaten mit ihren Waffen ins Ausland schicken will, kommt sie am Parlament nicht vorbei. Wenn sie aber deutsche Waffen ohne Soldaten losschickt, schaut ihr so schnell niemand auf die Finger.
Der Stolz auf die Parlamentsarmee gehört in Deutschland zur politischen Kultur. Nach langer, sorgfältiger Debatte urteilen die mehr als 600 Abgeordneten darüber, ob die Bundeswehr vor Somalia Piraten bekämpfen darf, demokratische Wahlen im Kongo schützt oder ein weiteres Jahr den Wiederaufbau in Afghanistan absichert. Jeder Bürger kann das Votum per Live-Übertragung aus dem Bundestag verfolgen oder nachlesen.
Anders ist das bei Entscheidungen über Rüstungsexporte, obwohl Kampfpanzer oder U-Boote unter indonesischem oder ägyptischem Befehl nicht weniger tödliche Wirkung entfalten als unter dem Kommando gut ausgebildeter Bundeswehr-Offiziere und obwohl High-tech-Waffensysteme wie der „Leopard 2“ in großer Stückzahl das militärische Kräfteverhältnis zwischen verfeindeten Staaten verändern und damit eine ganze Region destabilisieren können.
Doch wenn darum gerungen wird, ob und in welches Land deutsche Waffen geliefert werden, haben die Volksvertreter nichts mehr zu bestellen. Dann treffen sich acht Minister unter dem Vorsitz von Angela Merkel streng abgeschirmt im Bundessicherheitsrat.
So geheim tagt die Runde, dass sich strafbar macht, wer daraus berichtet. Jahre später können die Abgeordneten im Rüstungsexportbericht nachlesen, was entschieden wurde, welche Waffensysteme etwa Chile, die Türkei oder Indonesien bewilligt bekommen haben. Nach Deutschland zurückholen lassen sich die Panzer oder Fregatten dann nicht mehr.
Zur Demokratie aber gehört Transparenz. Allein deshalb ist es verdienstvoll, wenn Medien wie der „Spiegel“ nun wieder versuchen, Licht ins Dunkel der deutschen Waffenexportpraxis zu bringen. Was die Journalisten recherchiert haben, bestärkt die These, dass die schwarz- gelbe Bundesregierung sich von jener restriktiven Rüstungsexportpolitik verabschiedet, auf die das politische Berlin lange mindestens so stolz war wie auf die Parlamentsarmee. So eklatant ist der Schwenk, dass sogar namhafte Außen- und Sicherheitspolitiker der Koalition offen ihren Unmut zeigen und grundsätzlich mehr Information und mehr Kontrolle verlangen.
Seit gut einem Jahr macht Kanzlerin Merkel öffentlich Andeutungen darüber, dass sie die Bundeswehr nur noch im Notfall in Krisengebiete schicken, stattdessen aber Partnerländer außerhalb der Nato durch Rüstungsexporte stärken wolle. Die Auskunft, was das praktisch bedeute, verweigert die Bundesregierung regelmäßig.
Es ist schon fraglich, ob die sogenannte „Merkel-Doktrin“ in Indonesien funktionieren wird und welche Stabilität ausgerechnet ein Inselstaat mit Kampfpanzern schaffen will. Brandgefährlich aber wäre es, wenn die Kanzlerin ausgerechnet die Herrscherfamilien der arabischen Halbinsel als Verbündete für eine demokratische Weltordnung aufrüsten wollte. Dass in dieser volatilen Region Freunde des Westens schnell stürzen können, sollte sich herumgesprochen haben.
Ob Panzer für die Potentaten in Saudi-Arabien und Katar den Iran in Schach halten können, ob sie als Waffen gegen Aufständische taugen und ob nach einem Sturz der Regime womöglich weit radikalere Kräfte über die modernen deutschen Waffen verfügen – über all das kann sich der Bundestag weder informieren noch darüber entscheiden.
Wehleidig sollten die Volksvertreter darüber nicht werden. Denn der Bundestag hat es selbst in der Hand, sich mit einem neuen Gesetz mehr Informationen und Mitsprache zu sichern. Es wäre eine schöne Dialektik, wenn Angela Merkel mit ihrem Aufreißen der Tür für Rüstungsexporte das Parlament so sehr vor den Kopf stoßen würde, dass sich die Abgeordneten ihr Recht auf Kontrolle der Außen- und Sicherheitspolitik wieder zurückholen würden. Ein bisschen Mut gehört im Jahr vor der Wahl freilich dazu.
Hans Monath