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Auch nach zwölf Jahren Nato-Einsatz ist in Afghanistan vieles beim Alten: Eine Frau in Burka verkauft am Straßenrand in Herat alte Kleider.
© dpa

Bundeswehreinsatz in Afghanistan: Und (fast) alle machten mit

Die Bundeswehr zieht aus Afghanistan ab. Das ehrgeizige Projekt, dort ein demokratisches Gemeinwesen aufzubauen, ist gescheitert. Auch die Gesamtbilanz ist verheerend. Wie konnte vor zwölf Jahren als richtig gelten, was sich im Nachhinein als falsch entpuppt?

Es war doch der gute Krieg, der richtige, der notwendige. Und (fast) alle machten mit. In Amerika hielten Demokraten und Republikaner fest zusammen, die Nato rief den Bündnisfall aus, Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte seine uneingeschränkte Solidarität, Verteidigungsminister Peter Struck sagte, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt. Der Krieg in Afghanistan war die Antwort des Westens auf die Terroranschläge vom 11. September 2001. Die Herrschaft der Taliban, die das Al-Qaida-Netzwerk gewähren ließen, sollte beendet werden. Weder Mühen noch Kosten wurden gescheut. Das schien die Nach-Ground-Zero-Welt den Opfern schuldig zu sein.

Jetzt ziehen die Truppen ab, und ihre Bilanz ist bitter. Mehr als 3000 gefallene Soldaten, beinahe ebenso viele, die sich selbst das Leben nahmen, mehrere zehntausend Veteranen mit posttraumatischen Krankheiten, mehr als 500 Milliarden Dollar – und wofür? Afghanistan bleibt ein korruptes, instabiles, armes Land, in dem allein der Drogenhandel blüht. Das ehrgeizige Projekt, dort ein ziviles, rechtsstaatliches und demokratisches Gemeinwesen aufzubauen, ist gescheitert. Frauenrechte, Meinungs- und Religionsfreiheit gibt es nicht. Was bleibt, ist die vage Hoffnung, ein paar kleine Zonen der Sicherheit zu schaffen.

Die Terroristen wiederum sind längst weitergezogen. In den Jemen und nach Somalia, in den Irak und nach Syrien, gen Mali, Libyen, Pakistan, Niger. Skrupellos nutzen sie die Wirrungen infolge des Arabischen Frühlings aus. Al Qaida und Co. kontrollieren heute größere Territorien und rekrutieren mehr Kämpfer als je zuvor. Osama bin Laden ist tot, seine Erben sind flexibler und mobiler als jede Armee. Massive Interventionen mit dem Ziel, den dschihadistischen Terror zu bekämpfen, haben sich als unwirksam erwiesen. Auch als Demokratisierungsbeschleuniger taugt der Krieg nicht.

Wie konnte vor zwölf Jahren als richtig gelten, was sich im Nachhinein als falsch entpuppt? Da war erstens der Nine-Eleven-Schock, das Bild von den einstürzenden Türmen des World Trade Centers. Dieses Mega-Verbrechen schrie förmlich nach einer entsprechend drastischen Reaktion. Depression lähmt, Wut führt zur Tat: Deshalb zählte der Zorn schon für die alten Griechen zu den positiven Leidenschaften. Da war zweitens die Erfahrung mit der Intervention auf dem Balkan. Auch dessen Bewohner waren heillos zerstritten sowie ethnisch und religiös divers. Dennoch war es der Nato gelungen, die serbische Dominanz zu brechen und die Minderheiten zu retten.

Drittens schließlich wurde die Entwicklung in Mittel- und Osteuropa nach dem Sieg über den Sowjetkommunismus auf Teile der islamischen Welt übertragen. Warum sollte hier, also am Hindukusch und später im Irak, nicht möglich sein, was sich dort als Tendenz abzeichnete – Gewaltenteilung, Menschenrechte, Demokratie? Der Geschichtsoptimismus war stärker als der resignative und oft nicht ganz vorurteilsfreie Determinismus nach dem Motto: Islam und Demokratie? Das passt doch sowieso nicht zusammen.

Weil sich aber keiner gerne selbst korrigiert und zu viele damals mit kleinerer oder größerer Intensität den Afghanistankrieg befürworteten, wird eine große, ehrlich geführte Debatte über ihn wohl ausbleiben. Zu seinen traurigen Lehren zählt, dass selbst lauterste Motive nicht vor Blauäugigkeit schützen. Die Beteiligten waren weder böse noch klug, sondern gut und naiv. Das freilich ist, wenn überhaupt, nur ein sehr schwacher Trost.

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