Ein SPRUCH: Tierschutz im Parlament
Sex mit Tieren ist widernatürlich. Doch muss der Staat ihn verbieten? Wenn die Moral verrechtlicht wird, ist das nicht immer gut.
Claudia hat ’nen Schäferhund / Und den hat sie nicht ohne Grund, sangen „Die Ärzte“ auf ihrem ersten Studioalbum in den schrillen achtziger Jahren. Die Platte gelangte auf den Index, bei Claudia würde es für ein Bußgeld reichen – demnächst, wenn das am Donnerstag im Parlament verabschiedete Gesetz in Kraft getreten ist. Erstmals nach Abschaffung des Sodomie-Paragrafen 1969 wird der Sex mit Tieren dann wieder verboten. Zwar nicht als Straftat, doch immerhin als Ordnungswidrigkeit. Überlegt man, wie sich aufgeklärte Milieus seinerzeit über Helmut Kohls „geistig-moralische Wende“ lustig machten, bleibt zu konstatieren: Wir sind offenbar mittendrin.
Der Tierschutz ist, dem Schöpfer sei gedankt, weit gekommen, sogar bis ins Grundgesetz. Dem Dauerskandal Massentierhaltung wurde dadurch nicht abgeholfen, aber immerhin sind Vegetarier keine Spinner mehr, und Hundegebell wird bald den Status von Kinderlärm erreicht haben, laut, aber selig machend. Es wäre dann nicht mehr weit bis zu einem neuen Artikel 1a in der Verfassung: „Die Würde des Tieres ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen…“
Natürlich ist Tiersex widernatürlich. Die armen Kreaturen müssen einem so leid tun wie ebenjene, die über sie herfallen und sie zu ihrem „artwidrigen Verhalten“ zwingen, wie es in der neuen Vorschrift heißt. Trotzdem bleibt zweifelhaft, ob der Staat das ahnden muss. Tierquälerei – worunter viel Derartiges fallen dürfte –, ist ohnehin strafbar, und im Visier der Behörden stünden ja nicht nur zoophile Überzeugungstäter, sondern wohl auch manche psychisch Kranke und sexuell desorientierte Jugendliche.
Einen Fall knallharter Kriminalpolitik haben wir deshalb nicht vor uns, eher geht es um das, was Philosophen wie Jürgen Habermas als „Remoralisierung des Rechts“ bezeichnen würden. Moraldiskurse aber sind, wenn überhaupt, etwas, das über die Grundrechte (des Menschen) Eingang in das Recht finden sollte. Tierschutzrecht dagegen hat pragmatisch und effizient zu sein. Wenn Moral verrechtlicht wird, ist das eigentlich nie ein gutes Zeichen. Recht gilt für alle, während von Moral jeder seine eigene Vorstellungen hat. So sollte es bleiben.
Jenseits der Straftheorie wirft der Tatbestand, „ein Tier für eigene sexuelle Handlungen zu nutzen“, wie es wörtlich heißt, Abgrenzungsprobleme auf. Man muss dafür nicht aufs Land fahren, Szenen aus der Großstadt genügen um festzustellen, dass Hunde mitunter einen vollwertigen Partnerersatz abzugeben haben. Wenn man sie auf die niedliche Schnauze küsst und sich ergiebig das Gesicht lecken lässt, soll man dann die Ordnungshüter fürchten müssen? Selbstverständlich nicht, werden Frauchen und Herrchen berechtigterweise sagen, um dann aber bitte auch zu erklären, wo „artwidriges Verhalten“ eigentlich beginnt.
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