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Dschungelmoderatoren Sonja Zietlow und Dirk Bach.
© dpa

Dschungelcamp: Sonja und Dirk - wir sind die Stars!

Es ist völlig unerheblich, wer gerade aus dem Dschungelcamp fliegt oder nicht. Die wahren Stars bei „Ich bin ein Star-Holt mich hier raus“ heißen Dirk Bach und Sonja Zietlow. Mike Kleiß erklärt das Prinzip Dschungelcamp.

Hat man in den 80iger Jahren im Bekanntenkreis gefragt, wer „Dallas“ oder „Denver Clan“ schaut, kam meistens: „Wie? Dallas? Denver? Nein! Ich doch nicht! Das ist mir viel zu platt. Sowas kann man nicht gucken“. Merkwürdiger Weise waren die Strassen damals um 21:30h, wenn die Serien liefen, wie leergefegt. Die Quote stimmte. Heimlich unterhielt man sich auf der Arbeit, im Hörsaal, im Bekanntenkreis über das, was in der letzten Folge geschah.

Heute stellt sich der selbe Effekt beim Erfolgsformat „Ich bin ein Star-holt mich hier raus“ wieder ein. Wer nun mit dem Scheinargument daherkommt, das sei Unterschichten-TV, der ist völlig auf dem Holzweg. Quer durch alle Sozialschichten ist der Dschungel König bei der Programmauswahl. Heute unterhält man sich, anders als in den 80igern, eher z.B. bei Facebook über den Dschungel. Oder schaut zusammen die aktuelle Folge und chattet parallel dazu. Oder man gründet dafür extra eine Facebook Gruppe. Kunsthistorikerin Vita rief die geschlossene Gruppe „DschungelBook 2: Brigidde for Campgiraffe!“ pünktlich zum Start der neuen Folgen ins Leben. Vita steckte einige ausgewählte Freunde in die Gruppe. Auch mich. Und so fand ich mich plötzlich in einer Gruppe mit Vita, den Rechtsanwälten Liane, Jutta und Heinrich, dem Ingenieur Jürgen, dem Harem von Rainer Langhans (die Zwillinge Jutta Winkelmann und Gisela Getty, Brigitte Streubel etc.), dem Verleger und Langhans-Freund Bernhard von Guretzky, und vielen anderen. Hier wird jede Szene analysiert, und natürlich entsprechend kommentiert. Nadja postet in der Gruppe wichtige Statements wie :„Ramona könnte von der Körperform auch ein Mann sein...so von der Seite”, und blitzartig erhält sie hierfür 68 Kommentare. Heinrich schreibt eher trocken: “Die Möpse des Grauens schauen mich an”, die Silikondebatte wird neu entfacht. Zugegeben, es ist kein hochtrabendes, kulturbeladenes Sozialforum, das hier gegründet wurde, es ist Unterhaltung. Und eine neue Form der Kommunikation. Überall wird über das Dschungelcamp gesprochen und gelästert, und “DschungelBook 2” ist sicher nur eine von vielen Gruppen.

Die Frage, die sich unbedingt und zwingend aufdrängt: warum ist dieses TV Format seit Jahren derart erfolgreich? Micky Beisenherz ist einer der Autoren, die für Sonja Zietlow und Dirk Bach die Moderationen schreiben. Er ist also unter anderem derjenige, der für die schon legendären, bissigen Dialoge der beiden sorgt. Micky ist auch gerade wieder in Australien und erklärt sich den Erfolg der Sendung aus wissenschaftlicher Sicht so: “Also, man könnte es so formulieren: Es ist das soziologische Interesse eines jeden einzelnen Zuschauers, zu sehen, wie der dünne Glamour-Firnis medial erfahrener Berufs-Prominenter unter den harten Bedingungen des Dschungels allmählich weg bricht, bis ein mehr als nur gewöhnlicher Normalcamper zum Vorschein tritt. Ungeschminkt, unfrisiert und mit all seinen Schwächen. Die Chance, eingefahrene Beurteilungsmuster anhand der charakterlichen Veränderung einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen. Die Umverteilung von Sympathien. Man kann aber auch einfach sagen: Die Leute haben Spaß daran, die Figuren da unten Scheiße fressen zu sehen.“

Zietlow und Bach sind Comedy-Wulffs

Und die Figuren scheinen eben nur Figuren zu sein. Die C und D Promis geraten recht schnell wieder in Vergessenheit, sind sie einmal aus dem Camp freiwillig oder unfreiwillig ausgezogen. Stimmt nicht? Dann starten Sie einmal den Selbstversuch und zählen Sie alle Camp-Könige seit Bestehen der Sendung auf. Sie werden merken: das wird schwierig! Die Moderatoren Sonja Zietlow und Dirk Bach bleiben jedoch immer in Erinnerung. Sie muten wie ein altes Ehepaar an. Wie die fleischgewordene Version von Waldorf und Statler. In Foren und Artikeln spricht man gar von den Comedy-Wulffs des deutschen Fernsehen. Sie werden nach Bettina und Christian Wulff als neues Traumpaar gehandelt. Wie kommt dieser Hype zustande? Die Parallelen sind in der Tat erschreckend: Beide kriegen ihre Garderobe, den Flieger und sogar die Unterkunft gestellt. Gut, die beiden hat ein Konzern zusammen gebracht. Also, Dirk und Sonja. Aber sonst...

Der Hype ergibt sich sicherlich deshalb, weil – im Gegensatz zu vielen anderen großen Unterhaltungsshows- die Moderatoren nicht bloß schlichte Stichwortgeber sind, sondern wichtiges Unterhaltungselement. Es ist die hohe Schlagzahl an Pointen und die Unberechenbarkeit der beiden Hosts, die dafür sorgt, dass der Zuschauer immer wieder gespannt sein darf, wer als nächstes einen übergebraten kriegt. Zumal Florett und Keule nicht allein rund um das Campgeschehen kreisen- warum sollten wir mit dem Beleidigen auch warten, bis die Ferres unten im Camp sitzt?“, so beschreibt es Witzeschreiber Micky Beisenherz. Er ist eben Witzeschreiber, und daher analysiert er das Phänomen Zietlow/Bach dementsprechend locker. Was sehr humorig daherkommt, ist in Wahrheit ein aufwendiger Job. Ein Leben für die Quote, und für das Dreamteam der bissigen Sprüche. Zusammen mit Jens Oliver Haas, im echten Leben Mann von Sonja Zietlow, schreibt Beisenherz nicht einfach nur einen Gag nach dem anderen. Damit die „Marke“ Zietlow/Bach gut funktioniert, geben Haas/Beisenherz beinahe alles. Könnte man sagen, dass sie die heimlichen Macher der Comedywulffs sind?

Micky Beisenherz wiegelt zunächst ab: „Nee, die Zuschauer lieben Dirk und Sonja, weil sie gute Moderatoren sind und als Duo perfekt funktionieren. Was den Humor angeht: Olli und ich sind es ja nicht alleine. Dass Dirk und Sonja auch für sich alleine lustig sind, sieht man immer wieder. Zum Beispiel in den Dschungelprüfungen oder am Ende der Moderationen."

Aber ein bisschen schön finden wir es dann ja doch, also ganz im Stillen...

Den Arbeitsalltag beschreibt Beisenherz so: "Arbeitsbeginn auf dem Gelände gegen 20 Uhr. Eigentlich auch ganz gut, dass wir unser Hotel gegen 19 Uhr Richtung Dschungel verlassen, weil wir in einem Family-Resort sind, wo nach 20 Uhr ohnehin kein Drink mehr zu bekommen ist. Da werden nicht nur die Bürgersteige, sondern gleich die ganze Vegetation hoch geklappt. Ab 20 Uhr wird der Ablauf besprochen und die Moderationen geschrieben. Bis zur Buchbesprechung gegen ca. 2 Uhr. Um 4 Uhr ist Probe, 7 Uhr 15 Live Show. Auf dem Wege dorthin gucken wir natürlich so viele MAZen wie möglich und kommentieren einfach, was wir sehen. Das schreiben wir auf und hacken das dann später ins Moderationsbuch. Wobei dieser Prozess während der rund drei Wochen Produktionszeit fließend ist- man redet vor, während und beim Bierchen nach der Schicht ja kaum über etwas anderes. Von Frauen natürlich mal abgesehen.“

Moderationsbuch? Da wird alles reingeschrieben? Jeder Gag der Reihe nach? Völlig geplant? Wird also rein gar nichts dem Zufall überlassen? Stimmt das Gerücht also doch, dass alles nur gespielt wird? Gibt es tatsächlich ein Drehbuch? Beisenherz: „So lahmarschig wie die da unten mitunter sind- von wem soll das Drehbuch denn sein? Wim Wenders? Ein Skript gibt es nicht- sonst hätte man den Schnarchnasen da unten sicherlich mehr Dampf rein geschrieben. Vor allem nach dem Sarah Dingens Hype der letzten Staffel. Wir können ja nur die Rahmenbedingungen vorgeben und das Team zusammen stellen. Zumindest aus denen, die verzweifelt genug waren, zuzusagen. Es muss sich ergeben. Aus dem Hunger, dem Verzicht auf Zivilisationsdrogen wie Nikotin, Koffein oder Zucker. Den Rest erledigen dann die serienmäßig eingebauten Verhaltensauffälligkeiten.“

Die geschlossenen Facebook Gruppe „DschungelBook 2: Brigidde for Campgiraffe!“ von Kunsthistorikerin Vita hat sich bereits entschieden. Sagt ja auch schon der Gruppenname. Brigitte Nielsen soll das Rennen machen. Und auch für Witzeschreiber Micky ist sie die klare Favoritin: „Brigitte. Also, jetzt nicht, weil wir ihr bislang von Natascha Ochsenknecht über Wolfgang Joop bis Jopie Heesters so ziemlich jedes prominente Double auf den welkenden Leib schreiben konnten. Nein, Brigitte ist sympathisch, empathisch und erfrischend psychopathisch. Der T- Rex in unserm Tele-Terrarium. Sie ist die einzige, die wirklich begriffen hat, dass unsere Show zwar dokumentarischen Charakter hat- allerdings läuft sie immer noch bei RTL und nicht bei ARTE. Die Frau weiß, was die Leute von ihr erwarten. Gut, okay, sie war ja auch öfter in Reality Formaten als dass sie verheiratet war- und das will was heißen!“

Noch einige Tage, dann werden wir wissen, wie die nunmehr sechste Staffel der Reality Soap ausgehen wird. Und natürlich gucken wir das alle nicht. Ist ja schliesslich Unterschichten-TV. Aber ein bisschen schön finden wir es dann ja doch, also ganz im Stillen in der Facebook Gruppe, wenn Sonja und Dirk wieder auf der Brücke stehen und schreien: „Ich bin ein Star-holt mich hier raus“!

Mike Kleiß arbeitete bei RTL Radio und RPR1, SWR3 und war stellvertretender Programmchef bei den MDR-Radiosendern "Jump" und "Sputnik". Er ist als Dozent an Medienakademien tätig. Er gilt als Medien- und Markenexperte. Sein Hauptgeschäft ist die Kommunikationsagentur "Medienhafen Köln".

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