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Für Europa geht es jetzt weniger um das kleine Griechenland als um die Signalwirkung auf potenzielle größere Krisenstaaten.
© AFP

Die Krisen in Griechenland und der Ukraine: Schräge Debatte, gerade Linie

Die griechische Krise und der Ukrainekrieg haben wenig gemeinsam. Sie stellen Europas Politiker – und ganz voran Deutschland als Führungsmacht, an der sich andere orientieren – jedoch vor dieselbe Herausforderung: Um glaubwürdig zu sein, müssen sie geradlinig handeln. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Um Lösungen zu erreichen, wenn die Gelegenheit naht, müssen sie flexibel sein. Und das am besten auch noch einstimmig. Die Entwicklungen in Griechenland und der Ukraine zeigen, dass dies nicht recht gelungen ist.

Es klappt nicht einmal in der Koalition in Berlin

Es klappt ja nicht einmal in der Koalition in Berlin. Vor der griechischen Wahl stritten Union und SPD, ob man öffentlich über ein „Grexit“ diskutieren dürfe und ob ein Wahlsieg der Linken größeres Entgegenkommen unumgänglich mache. Da verwundert es wenig, wenn griechische Wähler den Schluss ziehen: Je krasser wir wählen, desto mehr kriegen wir.

Ähnlich die Signale an Moskau vor dem jüngsten Kapitel der ukrainischen Tragödie, dem Beschuss von Zivilisten in Mariupol durch russlandtreue Separatisten. Vizekanzler Sigmar Gabriel lockte Russland mit einem Freihandelsabkommen, sofern es den Angriff auf Nachbar Ukraine nicht fortsetzt. Kanzlerin Angela Merkel echote den Vorstoß in Davos, wollte es dann aber anders gemeint haben. Als sich die Separatisten zur Großoffensive auf Mariupol bekannten, folgte die nächste Wende: Gemeinsam drohen die Regierungen der EU-Länder mit der Verschärfung der Sanktionen. Auch da darf man fragen, ob Wladimir Putin die öffentlich angebotene Flexibilität womöglich als Einladung missverstanden hat.

Der Kurs gegenüber Griechenland und Russland folgt nicht dem Zickzack des öffentlichen Geredes

Die gute Nachricht: Der Kurs gegenüber Griechenland und Russland folgt nicht dem Zickzack des öffentlichen Geredes. Er wirkt sogar ziemlich gradlinig. Beim Handeln zeigen Bundesregierung und EU die Geduld und den langen Atem, der ihnen im täglichen Umgang mit den Medien abgeht. Nicht sie, sondern Wahlsieger Alexis Tsipras wird zeigen müssen, wie er den Widerspruch auflöst, dass demokratische Wahlergebnisse zwar anerkannt werden, aber weder geschlossene Verträge noch die Finanzrechnung außer Kraft setzen. Der Showdown wird zum Test, wer die besseren Nerven hat. Für Europa geht es dabei weniger um das kleine Griechenland als um die Signalwirkung auf potenzielle größere Krisenstaaten. Das Problem versäumter Reformen einfach abwählen und die Rechnung anderen überlassen? Diesen Versuch wollen Berlin und Brüssel nicht belohnen. Auch die Sanktionen gegen Putin stehen.

Politiker wollen die Seele ihrer Partei streicheln

Warum reden Politiker, die gerade handeln, oft so krumm? Sie wollen die Seele ihrer Partei streicheln, wollen sozial sein und eine Friedenspartei, die SPD sowieso, die Union will nicht nachstehen. Die Idee der Freihandelszone ist jedoch auf absehbare Zeit irreal. Nicht nur, weil Putin sie derzeit nicht verdient. In Wahrheit will er sie auch gar nicht, weil Russland kaum Produkte hat, die man im Westen kaufen wollte, und die in Russland beliebten Westwaren die heimischen Produkte verdrängen würden. Für Putin ist die Freihandelszone ein Synonym für die Klage, nicht auf Augenhöhe behandelt zu werden, für Gabriel ein Signal der Flexibilität – und für beide risikolos, weil sie wissen, dass sie nicht kommt.

Ja zu Flexibilität im rechten Moment, nur bitte hinter verschlossenen Türen

Ob Europa, wo das Reden der 28 EU-Mitglieder noch weiter divergiert, oder Berlin: Ja zu Flexibilität im rechten Moment, nur bitte hinter verschlossenen Türen. Öffentlich dahergeredet nützt sie wenig – und schadet womöglich noch.

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