Kontrapunkt: Rückenwind für Merkel: Rettung durch Piraten in Sicht
Vielleicht kann Angela Merkel bald aufatmen. Dann braucht sie die FDP nicht mehr. Sie muss nur auf die Piraten bauen.
Lange Zeit sah es so aus, als könne Angela Merkel gar nicht anders, als sei sie der dahinsiechenden FDP ausgeliefert, alternativlos, auch wenn es verpönt ist, das so zu sagen, weil es ja immer Alternativen gibt. Für Merkel heißt die einzige Alternative zur FDP: Machtverlust.
Jetzt aber segeln die Piraten - noch nicht auf hoher politischer See - aber in den Umfragen klar auf Erfolgskurs. Und das kann für Merkel letztlich die Rettung in großer Not sein. Nicht weil die Piraten plötzlich als Koalitionspartner interessant werden, dafür würde selbst Merkels Machtpragmatismus nicht ausreichen. Allein die bloße Existenz, der reine Erfolg der Piraten kann für Merkel zum politischen Lebenselixier werden.
Denn laut einer jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der "Bild am Sonntag" könnten die Piraten, wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, mit einem Einzug in den Deutschen Bundestag rechnen - sogar mit sieben Prozent der Stimmen. Und das kann die parteipolitische Architektur schwer ins Wanken bringen, weil dieser Einzug auch das Ende für Rot-Grün im Bund bedeuten kann. In der jüngsten Umfrage verliert die SPD zwei Punkte und kommt auf 28 Prozent und die Grünen verlieren ebenfalls einen Punkt (17 Prozent). Damit kämen Rote und Grüne auf 45 Prozent, weil aber Union (32 Prozent), Linkspartei (7 Prozent) und Piratenpartei jedoch auf 46 Prozent kämen würde es für Rot-Grün nicht mehr langen.
Die FDP würde auch laut dieser Umfrage den Einzug in den Deutschen Bundestag verfehlen. Emnid ist mit dieser Erhebung nicht allein, auch andere Institute sehen die FDP auf ähnlichem Kurs. Und das würde Angela Merkel schlagartig wieder ins Spiel bringen. Sie muss letztlich die CDU nur vor der SPD halten und plötzlich hat sie wieder alle Trümpfe für eine große Koalition unter ihrer Führung in der Hand. Oder sie segelt doch noch unter grüner Flagge. Beide potenziellen Partner würden aber vor eine Zerreißprobe gestellt. Die SPD weil die mühselige Suche nach einem Kanzlerkandidaten mal wider umsonst war und weil sie wissen, wie schmerzhaft es sein kann, mit Angela Merkel regieren zu müssen: erst hat sie die SPD in Existenzängste gestürzt, jetzt die FDP. Und die Grünen? Jürgen Trittin und Renate Künast haben ein Bündnis mit den Christdemokraten bereits ausgeschlossen. Am Ende könnte es die einzige Machtoption sein.
Natürlich ist das Ganze eine Momentaufnahme. Und natürlich stehen jetzt die Piraten selbst erst einmal vor großen Herausforderungen in Berlin. Wie lange hält der Hype an? Was passiert wenn die Piraten sich durch Streitereien und den Schattenseiten der Transparenz selbst entzaubern? Was ist wenn die Macht des Faktischen auf die Piraten einwirkt und sie Entscheidungen treffen müssen, die unpopulär sind? All das sind die Unbekannten dieser politischen Gleichung.
Aber egal wie, allein diese gegenwärtigen Zahlen sollten ein Warnschuss sein. Vor allem die SPD ist mal wieder vor Fragen gestellt. Sie muss ihr Verhältnis zu den Linken endgültig klären. Zwar war das lange kein Thema mehr, weil es wegen der rot-grünen Aussichten keines sein musste auf Bundesebene, aber möglicherweise wäre Rot-Rot-Grün das einzige Mittel, um Angela Merkel zu verhindern.
Und die SPD muss in noch stärkerem Maße sehen, wie sie auf die Piraten reagiert. Denn es sind vor allem potenzielle SPD- und auch Grünen-Wähler, die zu den Piraten umschwenken. Die SPD mag es als Trost sehen, dass diese Entwicklung auch zeigt, dass sie vielleicht die einzig wirklich verbliebene Volkspartei ist, denn sobald aus der Gesellschaft heraus parteipolitische Bewegungen entstehen, geht das auf Kosten der SPD: das war bei den Grünen so, bei der Linken und nun auch bei den Piraten.
Kein Wunder versucht die SPD, sich mit immer neuen Ideen hervorzutun und den Piraten ihr wichtigstes Mobilisierungselement, Politikverdrossenheit, zu nehmen. So soll die Arbeitsgruppe Demokratie der SPD bereits vorschlagen, dass Mitglieder des Bundestags und des Europäischen Parlaments keine Nebenjobs mehr annehmen dürfen. Auch ein Parteispendenverbot für Firmen wird angeblich in Betracht gezogen, so soll Glaubwürdigkeit und auch Unabhängigkeit zurück gewonnen werden.
Angela Merkel wird sich das ruhig anschauen. Am Ende kann sie die lachende Gewinnerin sein. Wenn aber nicht, dann droht ihr das, was Piraten besonders gut können: meutern. Denn die CDU mag nicht so stark von den Piraten selbst bedroht sein, von ihren Idealen aber schon.