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Eine russische Militäroperation, wie sie sich jetzt abzeichnet, wäre zum Scheitern verurteilt.
© AFP

Ukraine: Putin - aus den goldenen Geschichtsbüchern gestrichen

Mit dem Einmarsch in einen souveränen Staat macht Wladimir Putin mit einem Federstrich alles außenpolitische Kapital kaputt, das er mühsam erworben hat. Moskau fürchtet sich davor, dass schon bald Nato-Schiffe auf der Krim liegen. Doch das liegt mittlerweile durchaus im Bereich des Möglichen.

Die „Entsendung eines begrenzten Kontingents“ auf die Halbinsel Krim hatte sich Walentina Matwijenko, die Präsidentin des russischen Senats, durchaus vorstellen können. Die Entscheidung liege „natürlich beim Präsidenten“. Der, Wladimir Putin, entschied dann schon am Samstagnachmittag und bat den Senat um die Genehmigung für den Einsatz russischer Streitkräfte auf dem Territorium der Ukraine, bis sich die Situation dort normalisiert habe.

Erinnerungen an die Vergangenheit werden wach: Mit einem begrenzten Kontingent hatte auch der damalige sowjetische Parteichef Leonid Breschnew im Dezember 1979 seinen Einmarsch nach Afghanistan begonnen. 14 000 sowjetische Soldaten starben in dem Konflikt. Vor allem mit dieser Erfahrung hatte Wladimir Putin 2001 die russische Abstinenz bei der westlichen Anti-Terror-Operation am Hindukusch begründet. Von einer Politik der Zurückhaltung will Putin nun aber offenbar nichts mehr wissen. Das zeigt, wie wichtig ihm die Krim mit ihrem Zugang zum Schwarzen Meer ist.

Russische Militäroperation zum Scheitern verurteilt

Dabei wäre eine russische Militäroperation, wie sie sich jetzt abzeichnet, zum Scheitern verurteilt. Auf einen schnellen Sieg wie im August 2008 kann Putin nicht hoffen. Damals verlor Georgien nicht nur zwei abtrünnige Regionen faktisch an Russland, sondern auch den Waffengang selbst. Auch wird sich der Westen nicht bloß mit symbolischem Widerstand zufrieden geben. Denn die Ukraine ist kein Kleinstaat wie Georgien. Sie hat 200 000 Mann unter Waffen – zehnmal mehr als die Regierung in Tiflis. Sie ist auch kein Agrarland wie Georgien, sondern nach Russland die zweitgrößte Volkswirtschaft auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR. Fast 50 Millionen Konsumenten stellen auch für westliche Unternehmen eine andere Größenordnung dar als die fünf Millionen Verbraucher in Georgien.

Mit dem Einmarsch in einen souveränen Staat – und das ist Moskaus Militäroperation – macht Wladimir Putin mit einem Federstrich alles außenpolitische Kapital kaputt, das er mühsam erworben hat. Vergessen ist Russland kluges Handeln in der Syrien-Krise. Vergessen sind die Bemühungen um ein Lösung für das iranische Atomprogramm. Putins goldener Eintrag in die Geschichtsbücher ist allein schon deshalb passé, weil es vermutlich auch bei einer begrenzten Militäraktion Opfer geben wird – auf beiden Seiten und womöglich auch unter der Zivilbevölkerung.

Nato-Schiffe auf der Krim - nach Putins Entscheidung durchaus möglich

Macht, vor allem bei Großmächten wie Russland, bedeutet aber auch Verantwortung. Putin hat in dieser Hinsicht kläglich versagt. Ausgerechnet er, der sich immer wieder auf das Völkerrecht berief, wenn er seine oft vom Rest der Welt kritisierten Positionen verteidigte und dabei oft schwer zu widerlegen war. Warum und wozu fragt man sich. Schließlich hätte Russland um die Krim gar nicht kämpfen brauchen. Die Schwarzmeerhalbinsel wäre Moskau wie ein reifer Apfel in den Schoß gefallen: Durch den Volksentscheid Ende März. Die Mehrheit der Stimmberechtigten dort sind ethnische Russen.

Doch das ist inzwischen zweitrangig. Vorrangig ist jetzt die Suche nach einer Lösung für einen Konflikt, der das Verhältnis zum Westen auf lange Sicht beschädigen könnte. Eine Befriedung dürfte angesichts der Tatsache, dass sich die Interessen der Großmächte in der Ukraine überlappen und teilweise sogar ausschließen, sehr schwer werden.

Dabei hatten erfahrene Analytiker wie der Chef des russischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik, Fjodor Lukjanow, Gewalt in der Ukraine noch am Freitag ausgeschlossen. Er hatte argumentiert, dafür müsse Schlimmeres passieren – eine Kündigung des Abkommens für die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim etwa, mit der die neue Macht in Kiew in der Tat droht. Moskau hat keine geeigneten Ausweichmöglichkeiten für die Flotte und fürchtet zudem, auf der Krim könnten irgendwann Nato-Schiffe liegen. Das aber ist eine Option, die nach Putins Entscheidung durchaus im Bereich des Möglichen liegt.

Elke Windisch

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