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Tagesspiegel-Kolumnistin Katja Demirci.
© Mike Wolff

Katja Reimann macht sich locker: Probieren Sie es mal mit Yoga!

Meine Ärztin erwartete vom Yoga allerlei Gutes. Ich erwatete nichts. Dann stand ich zum ersten Mal im nach unten schauenden Hund.

Von Katja Demirci

Dass wir zusammenkommen, war nicht absehbar. Nur führte irgendwann kein Weg mehr daran vorbei. Eine Ärztin sagte: Gehen Sie, machen Sie Yoga! Ein Jahr später zog ich es in Betracht. Eineinhalb Jahre später fing ich an. Meinem Rücken zuliebe. Wirklich nur deswegen.

Ich bin eine schlechte Lügnerin. Man muss mich nicht gut kennen, um sofort sehen zu können, was ich von einer Sache halte. Ich stellte mir vor, wie ich in Pluderhosen in einem Yogastudio stehe, bunte Bänder im offenen Haar, die Hände vor dem Herzen gefaltet, ein sanftes Lächeln im Gesicht.

Dann stellte ich mir vor, wie es wirklich sein würde. Ich besaß keine pludrigen Hosen, ich würde nicht lächeln, mein Karma würde die Stunde versauen, meine schlechte Energie alle Schüler rundum druckwellenartig auf ihre Matten pressen, gutgläubige verrenkte Schlangenmenschen. Später würden sie den Lehrer bitten: Die Blonde da, bitte mach, dass sie geht, „namaste“.

Ich hatte also größte Vorbehalte vor diesem Yogastudio in Kreuzberg, in das mich eine Freundin mitnahm, weil ich ja gar nicht wusste: Wohin geht man bloß? Ich hatte Angst vor dem Lehrer, vor den Übungen, oder eher: Angst, es bescheuert zu finden. Dass es schon wieder nichts ist, was ich da nun probiere.

Mit Pilates hatte ich es schon versucht, die schönste Übung dabei war das Rumkugeln als kleiner Ball, den Kopf zwischen den angezogenen Knien. Ich war ein prima Ball, nie rollte ich von der Matte.

Den Rest fand ich seltsam, die hölzernen Geräte zum Turnen suspekt. Joseph Hubert Pilates, der diese Gymnastik erfunden hat, war angeblich auch Zirkusartist. Ich erwartete, in wenigen Monaten den muskulösen Körper einer Kunstreiterin zu haben. Es hielt nicht lang zwischen Pilates und mir.

Meine Ärztin erwartete vom Yoga allerlei Gutes. Ich erwartete nichts. Langeweile. Zeitlupe. Firlefanz, höchstens. Ich suchte danach. Eine brennende Kerze, ha! Kristalle im Wasserfilterbehälter im Umkleideraum. Na also. Doch der Lehrer sah nicht nur nett aus, er war auch wahnsinnig freundlich, ausgeglichen, friedvoll. Beruhigend, irgendwie. Kein Verrückter. Ein schlanker Mann in Sporthose, der leichten Schrittes durch das große, hellgrau gestrichene Loft ging, die vielen Fenster schloss und das Licht dimmte. Ein Körper wie gemalt, ein super Rücken.

Ich spekulierte auf Krankengymnastik bei Kerzenschein und bekam Vinyasa Flow Yoga. Eher sportlich als esoterisch, eher dynamisch, eher schweißtreibend. Liegestütze, Handstand, Bauchmuskeltraining, tief einatmen, tief ausatmen.

Es gibt diese Übung, Adho Mukha Svanasana, der nach unten schauende Hund. Hände vorne auf die Matte und Füße hinten, Po nach oben und hinten schieben, Kopf hängen lassen. Als ich zum ersten Mal den Hund machte, spürte ich eine große Erleichterung, ich fühlte jeden Wirbel in meinem Rücken, sie funkten Richtung Hirn. Es ging ihnen so lala. Aber sie waren noch da!

Am Tag nach der ersten Yogastunde lief ich, als hätte ich nach Jahren mal wieder auf einem Pferd gesessen, nicht auf einer rutschfesten Matte in Kreuzberg. Rückenschmerz war die längste Zeit mein Problem gewesen, mir tat nun alles weh. Es war herrlich.

„Warum machst du das?“, fragte mich ein Kollege, dem ich von meinem Yogakurs erzählte. Ich dachte kurz nach, dann sagte ich: Yoga erinnert mich an Dinge, die ich fast vergessen hatte. Dass ich zwei Arme besitze und zwei Beine, dass an denen Hände dranhängen und Füße und an denen Finger und Zehen.

Ach, sagte der Kollege.

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