zum Hauptinhalt
Laut aktuellen Umfragen kommt der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bei den Wählern derzeit nicht so gut an.
© dpa

Peer Steinbrück, SPD und der Wahlkampf 2013: Ohnmachtsgefühle auf sozialdemokratisch

Die SPD steckt weiter im Stimmungstief, die Zweifel am Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück wachsen. Die Partei scheint gelähmt. Die Sozialdemokraten glauben nicht mehr an einen Wahlsieg und die Grünen auch nicht.

Dass der Wahlkampf 2013 für die SPD bislang nicht gut läuft, ist nicht zu übersehen. Der Kanzlerkandidat Peer Steinbrück agiert glücklos und mitunter auch hilflos. Der sozialdemokratische Gerechtigkeitswahlkampf verfängt nicht. Die Wähler stehen in der Eurokrise hinter der Kanzlerin und nicht hinter ihrem ehemaligen Finanzminister. Zudem präsentiert sich Angela Merkel bei Themen wie Mindestlohn oder Managergehältern als die bessere Sozialdemokratin. Trotz vieler politischer Kurswechsel und trotz schwarz-gelbem Dauerstreit hat nicht die Kanzlerin ein Imageproblem, sondern ihr Herausforderer.

Die Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap am Freitag im Auftrag der ARD veröffentlichte, ist ein neuer Tiefschlag für Steinbrück, für die SPD und für Rot-Grün. Im Deutschland-Trend verloren Sozialdemokraten und Grüne je einen Prozentpunkt, CDU und CSU hingegen legten zwei Punkte auf jetzt 41 Prozent zu. Die Union steht in der Wählergunst derzeit genauso gut da wie SPD und Grüne zusammen.

Noch dramatischer sieht es für die Opposition bei der Kanzlerpräferenz der Wähler aus. 60 Prozent der Deutschen wollen lieber Merkel als Kanzlerin, Steinbrück liegt 35 Prozentpunkte zurück bei 25 Prozent. Im Oktober, als der Ex-Finanzminister zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde, lag der Herausforderer lediglich elf Punkte hinter der Kanzlerin. In den letzten fünf Monaten hat sich der Abstand also verdreifacht. Selbst jeder dritte Anhänger der SPD möchte lieber, dass Merkel bleibt.

Jetzt wird wieder viel über die Ursachen spekuliert. Liegt es am Personal oder liegt es am Programm. Lähmt Steinbrück seine Genossen und gestatten diese ihm nicht genug Beinfreiheit. Steht der Kandidat zu rechts und die Partei zu links. Vermutlich gibt es viele Gründe dafür, dass die SPD im Stimmungstief verharrt. Auch der Hinweis darauf, dass es noch fünfeinhalb Monate bis zur Wahl sind und der Wahlkampf noch gar nicht begonnen hat, ist richtig. Zudem profitiert Merkel ohne Zweifel von ihrem Amtsbonus.

Doch das alles macht die Lage der SPD nicht besser. Im Gegenteil. Vermutlich spüren die Wähler längst, dass SPD und Grüne nicht mehr an einen Wahlsieg glauben. Spitzenpolitiker beider Parteien vermitteln stattdessen den Eindruck, als hätten sie sich längst damit abgefunden, dass Merkel Kanzlerin bleibt. Beide schielen auf die Rolle des Juniorpartners und stellen sich gegenseitig unter Fremdgeh-Verdacht. Von Kampfesmut ist in der SPD und auch bei den Grünen derzeit zumindest wenig zu spüren. Es dominieren die Zweifel und Zweifel sind Gift für jeden Wahlkämpfer.

Vor einer Woche gab der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel der Welt am Sonntag ein vielsagendes Interview. Darin nannte er die Grünen nicht nur die „neue liberale Partei“, sondern warnte zugleich vor einem Bündnis der Grünen mit der CDU. Eine Koalition der beiden Parteien nach der Bundestagswahl könne man nicht ausschließen, sagte Gabriel, „das müssen Grün-Wähler auch wissen“. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir konterte mit dem Hinweis, wenn SPD und Grüne sich nur gegenseitig die Wähler abjagten, werde es für einen Wahlsieg nicht reichen und die SPD werde sich wieder „ganz schnell mit einer großen Koalition unter Frau Merkel“ anfreunden.

Schon seit Wochen tobt zwischen SPD und Grünen ein Kleinkrieg. Das gegenseitige Misstrauen wächst. Mal stichelt der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin, die SPD habe vor zehn Jahren bei der Verabschiedung der Hartz-Gesetze die Einführung eines Mindestlohns blockiert. Gabriel konterte mit dem Hinweis an die Grünen „mit einem B 3-Gehalt verstehe man halt nicht, warum einer Krankenschwester nicht egal ist, wie viel der Strom kostet“. Eigentlich sollten Wunschpartner anders miteinander umgehen.

Natürlich müssen sich SPD und Grüne unterschiedlich profilieren. Es kann sogar hilfreich sein, wenn die beiden Oppositionsparteien etwa in der Energiepolitik oder der Sozialpolitik unterschiedliche Akzente setzen. Doch wenn die Grünen die besseren Sozialpolitiker sein wollen und die Sozialdemokraten dem Koalitionspartner in spe sein ökologisches Profil neiden, dann wird es problematisch. Politiker, die miteinander regieren wollen, brauchen ein besonderes Vertrauensverhältnis zueinander. Wenn sie sich stattdessen in aller Öffentlichkeit gegenseitig in die politischen Weichteile treten, dann kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, als würden hier bereits frühzeitig Schuldzuweisungen für eine absehbare Wahlniederlage formuliert. Rot-Grüne Siegesgewissheit sähe anders aus.

In der Bild am Sonntag antwortet Sigmar Gabriel in dieser Woche auf die Frage, wie seine Partei den Rückstand noch aufholen wolle, mit dem Hinweis auf das „Ohnmachtsgefühl vieler Menschen“. Diese würden nicht mehr daran glauben, „dass sich demokratisches Engagement und Wählengehen lohnt“. Vielleicht ist es aber auch so, dass sich vor allem bei den Sozialdemokraten und den Grünen Ohnmachtsgefühle breitmachen.

So erklären sich dann auch die verheerenden Umfragewerte. Denn warum sollen die Wähler an einen Kanzler Steinbrück glauben, wenn es nicht einmal die Wahlkämpfer tun.

Christoph Seils ist Ressortleiter Online von Cicero.

Christoph Seils

Zur Startseite