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Hatice Akyün ist Autorin und freie Journalistin. Sie ist in Anatolien geboren, in Duisburg aufgewachsen und in Berlin zu Hause.
© promo

Kolumne "Meine Heimat": Oder wie meine Mutter sagen würde ...

Unsere Kolumnistin erklärt das Verhältnis zwischen türkischen Frauen und ihren Ehemännern. Es ist nämlich ein bisschen wie bei der anderen, der berühmten "Mutti".

In letzter Zeit habe ich Zuschriften von Lesern bekommen, die wissen wollten, warum ich in meinen Kolumnen ausschließlich meinen Vater zitiere. Nein, meine Mutter ist nicht taubstumm oder wird unterdrückt. Sie ist eine türkische Frau, die weiß, wann es sich lohnt, etwas zu sagen. Die Rollenverteilung bei meinen Eltern ist ganz einfach: Meine Mutter hat die Hosen an, obwohl sie noch nie in ihrem Leben welche getragen hat, und mein Vater gibt keine Widerworte, weil sonst wochenlang die Küche kalt bleibt. Klare Verhältnisse also.

Nun werden Sie sagen, soll er doch seine Rechte wahrnehmen und endlich kochen lernen. Da verkennen sie jedoch das jahrzehntelang gelebte Selbstbestimmungsrecht meiner Eltern. Ich erkläre es ein wenig verständlicher: Meine Mutter ist bei uns die Kanzlerin – quasi die Dauermutti. Mein Vater ist so etwas wie der Bundespräsident mit einem Präsidentenstuhl auf Lebenszeit. Er darf die Entscheidungen seiner Kanzlerin abnicken, nur sehr selten legt er ein Veto ein. Die Macht meiner Mutter liegt in der uneingeschränkten Entscheidungsgewalt, notfalls auch gegen die Mehrheit des Familienparlaments. Die Macht meines Vaters liegt in seiner Weisheit, er stellt den Alltag immer in den großen Zusammenhang. So bagatellisiert er Fehlentscheidungen meiner Mutter und signalisiert große Harmonie zwischen den beiden.

Damit Sie einen Eindruck von meiner Mutter bekommen, zitiere ich sie mit einem ihrer festen Standpunkte: „Eine deutsche Frau führt ihren Mann vor, eine türkische Frau führt ihren Mann.“ Meine Mutter kann schmerzhaft direkt sein und mit einem Satz quer zu allen anerkannten Denkrichtungen liegen. Deshalb ist sie ja auch eine Leitwölfin.

Ein Freund beschreibt das folgendermaßen: „Türkische Frauen wollen immer der Dreh- und Angelpunkt sein. Sie sind selbstbewusst, stark, erfolgsorientiert, trickreich, enorm diszipliniert und suchen stets die Auseinandersetzung. Sie sind leidenschaftlich, aber darin so anziehend wie anstrengend.“ Ob er recht hat, kann ich nicht beurteilen, aber dass er sich auskennt, weiß ich.

Bevor mir nun Dutzende Briefe entgegenflattern, in denen man mich über die rechtlose türkische Frau aufklärt, mache ich das Fass schnell wieder zu. Nur so viel noch: Vieles auf dem Markt der wohlgemeinten Gewissheiten über die türkische Frau ist oft weit weniger als die halbe Wahrheit. Damit meine ich nicht nur die Wahrnehmung der Rollenbilder von Frauen mit dem berühmten „Hintergrund“, sondern auch, wie sie ihre Beziehungen pflegen.

Meine Eltern haben wenig Energie in die oberflächliche Fassade ihres Zusammenlebens gesteckt, dafür aber alles in den Innenausbau ihrer Liebe. Meine Mutter ist die Managerin in den eigenen vier Wänden und mein Vater der Chef nach außen. Sie leben glücklich nach dem Prinzip: „Think global, act local.“

Das ist der Grund, weshalb ich das Versöhnliche in den Weisheiten meines Vaters so gerne zitiere. Darin ist und bleibt er nämlich der Experte. Oder wie meine Mutter sagen würde: „Bir evde iki horoz olunca sabah güc olur – zwei Hähne in einem Haus bereiten einen mühevollen Morgen.“

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