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Sattes Grün? Von wegen. Dem Rasen vor dem Reichstag geht es schlecht.
© dpa

SPD-Politiker unter Drogenverdacht: Normalos mit Mandat

Bundestagsabgeordnete sind nicht gieriger oder verdorbener als der Rest der Bevölkerung. Sie sind keine Helden oder Heilige - sondern Menschen

Von Antje Sirleschtov

Dem SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann wird Drogenbesitz nachgesagt, und die Polizei stürmt seine Wohnung. Am gleichen Tag setzt der Bundestag einen Untersuchungsausschuss zum Fall Sebastian Edathy ein. Edathy war der SPD-Innenpolitiker, der vor ein paar Wochen sein Amt hinlegte, weil gegen ihn wegen des Besitzes von Kinderpornografie ermittelt wurde.

Nun summt es wieder an deutschen Stammtischen: Drogen, Kinderpornos und natürlich Alkohol. Ging da nicht letztens das Gerücht umher, dass dutzende unserer gewählten Volksvertreter ein Alkoholproblem hätten? Aber ihre Diäten, die werden jetzt sogar regelmäßig angehoben. Wenn’s um ihr Geld geht, da haben die Politiker offenbar kein Problem. Sind nun, mit dem Fall Hartmann, als krönendem Schlussstein sozusagen, die letzten Beweise dafür erbracht, wie korrupt und verdorben unsere Politiker sind?

Natürlich nicht. Ein solches Pauschalurteil ist Blödsinn. Wo Menschen aus allen Teilen des Landes, quer durch alle Altersstufen und auch beinahe alle sozialen Schichten hinweg tätig sind, wird es immer wieder menschliche Probleme geben. Der Bundestag versammelt keine Helden, keine Heiligen. In ihm sitzen Menschen, die gewählt wurden. Mit allen Fehlern, die es in der Breite der Bevölkerung auch gibt. Sie haben sich ihren Wählern bekannt gemacht und deren Vertrauen erworben. Mal im direkten Gespräch, mal auch über eine Parteiliste. Am Ende steht: Es gibt im Parlament nicht signifikant mehr oder weniger schwierige Charaktere als im Durchschnitt der Bevölkerung. Und auch die Schwierigkeiten im Umgang mit Stress und persönlichen Problemen werden im Grunde nicht anders verarbeitet als bei Volkswagen, der Sparkasse oder in Zeitungsredaktionen: Der eine frisst es in sich hinein, der andere trinkt es abends weg, der nächste wird krank und steigt irgendwann aus.

Insofern: Michael Hartmanns mutmaßlicher Drogenkonsum lenkt einen besorgten Blick auf den Politiker und Menschen. Was bedrückt, belastet oder beunruhigt ihn so sehr, dass er glaubt, zu Drogen greifen zu müssen? Ein Schlaglicht auf die Verfasstheit des Parlamentes an sich oder der Sozialdemokratie oder gar der deutschen Innenpolitik wirft er nicht. Und auch gemeinsam mit Sebastian Edathy betrachtet, entwickelt sich aus Einzelfällen kein gruseliges Prinzip.

Und schon gar nicht vermengen sollte man beides mit der Frage der Diätenanhebung der Abgeordneten. Wer heute für den Bundestag kandidiert, muss seine berufliche Laufbahn unterbrechen, meist sogar ganz aufgeben. In der Demokratie ist es daher nur recht und billig, dass die Steuerzahler den Leuten, die das Risiko auf sich nehmen, einen Ausgleich zahlen: die Diät. Sie beträgt rund 8300 Euro im Moment – brutto und voll steuerpflichtig! Damit wird man – die meisten Abgeordneten benötigen zwei Wohnsitze – wahrlich nicht reich. Und jährlich angehoben werden sollen die Diäten in Zukunft auch nur in dem Maße, wie die Durchschnittslöhne steigen.

Das ist richtig und angemessen. Und gibt daher auch keinen Beleg für die zunehmende Schlechtigkeit und persönliche Raffgier der Politiker her.

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