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Klaus Wowereit, Michael Müller und Frank Henkel
© dpa

Streit um Strom-Volksentscheid in Berlin: Neue Energie für Klaus Wowereit

Vom Streit um den Strom-Volksentscheid profitiert vor allem einer: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Denn der Konflikt zwischen SPD und CDU verschiebt die Kräfteverhältnisse bei den Sozialdemokraten.

Jetzt geht es um Klartext. Bis zum Volksentscheid am 3. November muss von Berlins SPD/CDU-Koalition erklärt, um Zustimmung gerungen und die Ablehnung begründet werden. Das ist gut so. Viele Wohltaten versprechen, aber nicht sagen, wer das bezahlt, wie es die Initiative für den Aufbau eines städtischen Energieerzeugers und den Rückkauf des Stromnetzes tut, das geht nicht. Jetzt muss auf den Tisch, was für Berlin sinnvoll ist und welche Risiken und bösen Nebenwirkungen es gibt. Um mit einer zentralen Erwartung vieler Berliner zu beginnen: Auch bei einem erfolgreichen Volksentscheid wird der Strom hier garantiert nicht billiger.

Die CDU hat beim Volksentscheid zur Energie klare Kante gezeigt

Da steht auch der Koalition noch einiger Streit bevor. Denn die CDU, die sich bisher am Senatstisch eher handzahm verhielt, hat bei der von ihr erzwungenen Ablehnung des Volksbegehrens der SPD gegenüber klare Kante gezeigt – und auch offenbart, dass es keine gemeinsame Basis für ein Energiekonzept gibt. Widersprüche sind da inklusive: Ende 2012 stimmten die Christdemokraten noch der Gründung eines Stadtwerks zu, jetzt geht’s retour. Auch die SPD, deren Landesvorstand das Volksbegehren voll unterstützt, muss klar sagen, wohin die Reise gehen soll. Das haben die basisfixierten Genossen bisher vermieden, weil man es sich nicht mit der Initiative verderben wollte.

Die Debatte in Berlin beleuchtet deswegen auch die Kollision zwischen den Folgen der deutschen Energiewende und dem Wunsch nach kommunalem Eigentum an Betrieben der Daseinsvorsorge – zwischen einem Stromnetz, das mit Milliarden fit gemacht werden muss für veränderte Energieflüsse, einem liberalisierten Strommarkt mit Hunderten von Anbietern und neuen politischen Wertigkeiten. Wird dies nicht mitbedacht, wird aus der Stadtwerke-Idee rasch ein sozialromantisches Öko-Abenteuer.

Aus purer Not hat Berlin Gas, Wasser und Stromerzeigung privatisiert

Berlin hat in den 90er Jahren aus purer Not, um die Milliardenlöcher im Haushalt zu stopfen, Gasag, Wasserbetriebe und Stromerzeugung privatisiert – begleitet vom gefälligen Rückenwind einer wirtschaftsliberalen Ideologie, die kommunales Eigentum für überholt hielt. Nun hat sich der Wind gedreht. Strom, Wasser, Gas sind keine Güter wie andere; sie dürfen nicht allein Profitinteressen untergeordnet werden. Welches Gewicht die Menschen dem Thema zumessen, hat in Berlin schon 2011 das erfolgreiche Wasser-Volksbegehren gezeigt. Es kann wirtschaftlich durchaus sinnvoll sein, Betriebe zurückzukaufen. Denn warum soll man gute Geschäfte nur privaten Konzernen überlassen? Das gilt freilich nur, wenn städtische Betriebe mit Kompetenz und Strategie geführt werden, und nicht nach Parteibuch und Vetternwirtschaft. Berlin genießt hier mit Bankenskandal, Filz in Wohnungsbauunternehmen oder BER-Pleite nicht gerade übergroßes Vertrauen.

Man darf aber nicht so tun, als gäbe es noch monolithische Strommonopole. Wer Ökostrom beziehen möchte, kann dies schon jetzt problemlos tun. Ein Berliner Stadtwerk wird außerdem auf lange Zeit nicht mehr sein als symbolischer Aktionismus, mit ein paar Windkraftanlagen und Solarpaneelen auf den landeseigenen Stadtgütern. Und vom Netzkauf sollte sich Berlin ganz fern halten – wo weder klar ist, wie hoch der Kaufpreis ist, noch welche Milliardeninvestitionen in Zukunft fällig sein werden.

Nur Klaus Wowereit profitiert von der Diskussion

Energie gewinnt gegenwärtig aus der Situation deshalb allein der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Die CDU konnte sich beim Konflikt mit der SPD nämlich nur deswegen durchsetzen, weil sie im Stadtwerke-skeptischen Wowereit einen stillen Verbündeten im Hintergrund hat. Der Konflikt über die Energie zeigt auch, dass sich mit der Kraftprobe in der Koalition die Gewichte in der SPD wieder verschieben. Je deutlicher sich die CDU positioniert, um so stärker und präsenter wird auch der Regierende Bürgermeister. SPD-Landeschef Jan Stöß hat sich dagegen mit der vorschnellen Festlegung auf die Unterstützung des Volksbegehrens geschwächt. Auch Fraktionschef Raed Saleh, der sich seit Start der Koalition als starker Mann gegen Wowereit und Stöß zu inszenieren versucht hat, hat einen Dämpfer erhalten.

Ohne Wowereit geht nichts. Und deswegen geht auch Wowereit nicht. Vorbei die Zeiten, als spekuliert wurde, nach der Bundestagswahl sei sein Rücktritt zu erwarten. Nie seit dem Start von Rot-Schwarz war Wowereit so wichtig für die Koalition. Deswegen hat der monatelang wegen des BER-Desasters sichtlich gedämpfte Wowereit wieder in seinen Präsenz-Modus zurückgefunden. Er ist der Garant, dass das Bündnis bei allen Konflikten, die es mit der erstarkten und selbstbewusster werdenden CDU noch geben wird, bis zum Ende der Wahlperiode 2016 halten wird – auch weil Wowereit als unentbehrlicher Mittler von diesen Spannungen profitiert. Und dann sieht er weiter.

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