Porträt: Nancy Pelosi: „Heute schreiben wir Geschichte“
Sie muss für Barack Obama die Stimmen zusammenkriegen. Sein Erfolg bei der Gesundheitsreform wäre ihr Triumph
In ihrem weitläufigen Büro im Südflügel des Kapitols entscheidet sich Barack Obamas Zukunft. Öffentlich gilt die Gesundheitsreform als zentrales Projekt seiner Präsidentschaft. Doch er braucht eine Mehrheit im Kongress, damit aus dem Wahlversprechen ein Gesetz wird. Die organisiert Nancy Pelosi. Die kalifornische Demokratin, die am Freitag ihren 70. Geburtstag feiert, ist seit 2006 erster weiblicher „Speaker“ des Abgeordnetenhauses und protokollarisch die Nummer Drei der amerikanischen Demokratie nach Präsident und Vizepräsident. Sie wäre die erste US-Präsidentin, falls beide amtsunfähig würden.
Seit Tagen bearbeitet die zierliche Frau italienischer Abstammung demokratische Abgeordnete mit einer Mischung aus Charme und subtilem Druck. Sie weiß, dass die 178 Republikaner geschlossen gegen die Reform stimmen werden und viele ihrer 253 Parteifreunde mit einem Ja die Wiederwahl im Herbst riskieren. Sie schmeichelt. Sie sondiert, ob zusätzliche Mittel aus dem Konjunkturpaket für den Wahlkreis helfen. Bisweilen droht sie: Wer die Partei nicht unterstütze, dürfe auch nicht auf deren Hilfe im Wahlkampf rechnen.
Für die Republikaner ist sie ein rotes Tuch; für den linken Parteiflügel der Demokraten die letzte Hoffnung, wenn es wieder einmal um die Frage geht, ob Obama inhaltliche Abstriche an seinen Zielen machen soll, um einzelne Republikaner auf seine Seite zu ziehen. Einig sind sich beide Lager: Pelosi ist die mächtigste Frau in den USA. Sie gab den Ausschlag, als die Demokraten bei der Nachwahl in Massachusetts die Gestaltungsmehrheit im Senat verloren und manche Parteifreunde die Reform aufgeben wollten. Sie fühle sich nun „befreit“ vom Zwang, Rücksicht auf die Konservativen zu nehmen, sagte sie – und versprach, die nötigen Stimmen aufzubringen, um die Reform mit mancherlei Abstimmungstricks doch noch durch den Kongress zu bugsieren.
Rhetorik und Charisma sind nicht ihre Stärken, aber sie beherrscht das Strippenziehen und ist erfolgreicher bei der Disziplinierung der Fraktion als ihre männlichen Vorgänger. Diese Kunst hat sie bereits als Kind gelernt. Ihr Vater Thomas d’Alesandro war Bürgermeister von Baltimore. Die Tochter nahm das Telefon zuhause ab und führte Buch, wer ihm noch einen Gefallen schuldet. Auch Pelosi hat über Jahre politisches Kapital gesammelt und setzt es nun ein. Obamas Erfolg bei der Gesundheitsreform wäre ihr Triumph.
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