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Und noch mehr Flaggen. Die Briten sind stolz auf ihre "Royals".
© dpa

Königliche Hochzeit: Mit Gefühl für Geschichte

Millionen Menschen werden die königliche Hochzeit von Kate Middleton und Prinz William verfolgen. Und man darf an diesem Ereignis durchaus seinen Spaß haben - auch wenn deutschen Verfassungspatrioten das Grundgesetz in der Tasche aufgeht.

Von wegen königlich, alles Blender wie Guttenberg: Der Opa ein Chauvinist, die Oma kalt, der Vater ein Blumenflüsterer und die Mutter tot. Eine große Leuchte ist auch William nicht, und bald hat er auch noch eine Glatze. Jedem anständigen deutschen Verfassungspatrioten geht das Grundgesetz in der Tasche auf angesichts der Tatsache, dass ARD, ZDF, Sat 1, RTL und n-tv die Hochzeit von Prinz William und Catherine Middleton live übertragen. Er wird, wenn der flüsternde Singsang vom Adelsexperten Rolf Seelmann-Eggebert ertönt, laut Habermas rezitieren.

Und doch werden auch in Deutschland Millionen die Hochzeit verfolgen. Denn das englische Königshaus ist großes Schauspiel, mit Pferden und Uniformen und Elton John, es ist absurd und rührend. Das muss man mögen. Man muss an dieser harmlosen Inszenierung, an dem nächsten Höhepunkt einer Familiensaga, seinen Spaß haben. Dazu gehört, Differenz – auch soziale Differenz – und Skurrilität gelassen zu ertragen, statt bei jedem Dienstwagen an den Rechnungshof zu denken. Die Engländer sind dazu auch nach Jahrhunderten noch in der Lage. Den Deutschen ist das große Staatsschauspiel suspekt geworden; deshalb haben sie in ihrem Schloss Bellevue einen Bundespräsidenten.

Schnell und schuldbewusst ist das Pendel von Guttenberg zu de Maizière, von Charisma zu Vernunft zurückgeschwungen. Und doch lässt es sich nicht leugnen, dass der Wunsch nach mehr Pop in der Politik wieder stärker wird, weil das Personal in den Parteien so ausgemergelt ist. Der Show-Teil der Politik wird weiter zunehmen, das Unbehagen darüber auch. Der Umgang mit Christian Wulff beschreibt diese Ambivalenz: einerseits seine Überhöhung zum Bundespräsidenten der Herzen, samt tätowierter Ersatzkönigin, und andererseits die Empörung darüber, dass er Brötchen aus Hannover serviert bekommt. Kein Wunder, dass in diesem engen Korsett auch von ihm kein Glanz mehr ausgeht.

Das Ereignis in London liefert jedoch nicht nur gute Fernsehbilder. Aus der Perspektive eines Landes, in dem die Menschen aus den politischen Ämtern flüchten, wirkt die hartnäckige Selbstlosigkeit, mit der sich die englische Königin ihrem Amt ergibt, merkwürdig unzeitgemäß. Horst Köhler hätte an ihrer Stelle schon dreimal abgedankt. So märchenhaft die Hochzeit erscheinen mag, es geht dabei am wenigsten um den schönsten Tag im Leben zweier junger Menschen. Die Mitglieder der königlichen Familie sind pflichtbewusste Arbeiter im Bergwerk der Geschichte, die Veranstaltung in der Westminster Abbey dient vor allem einem Zweck: Kontinuität zu verkörpern.

Als Königin Elizabeth auf den Thron kam, war Theodor Heuss Bundespräsident. Niemand heute kennt Heuss. Diese Beständigkeit kann Demokratie, deren Kennzeichen ja gerade der Wechsel ist, nicht leicht bieten. Zugleich spricht aus der Hinwendung zum weisen alten Helmut Schmidt oder der ursprünglichen Begeisterung für den Papst eine Sehnsucht nach historischer Verankerung und Kontinuität. Die Königin leistet das, sie ersetzt als fleischgewordene Erinnerung jedes Denkmal, von denen wir in Deutschland so viele brauchen. Ein Herr Wulff wird das nie leisten können, weil auch er bald für ein Bauunternehmen arbeitet.

Gefühl und Geschichte kann die moderne säkulare Demokratie, die nur für den Moment denkt, nicht. Das englische Königshaus kann nichts anderes. Vielleicht schalten deshalb viele am Freitag den Fernseher ein.

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