Putins Präsidentenkandidatur: Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun
Politische Stagnation, autoritäre Tendenzen, fehlende Rechtsstaatlichkeit und der Abschied von der Demokratie – das alles ist Putins Russland. Und nach der nun angekündigten Rochade zwischen ihm und Medwedew könnte das bis zum Jahr 2024 so bleiben.
Die Inszenierung war perfekt, die Kremlpartei Einiges Russland klatschte begeistert Beifall: Premier Wladimir Putin verkündet, dass Präsident Dmitri Medwedew die Partei als Spitzenkandidat in die Parlamentswahlen führen soll. Danach schlägt Medwedew Putin als Präsidentschaftskandidaten vor. In Russland zweifelt niemand daran, dass es genau so kommen wird: Putin zieht wieder in den Kreml ein, Medwedew tritt auch formal in die zweite Reihe zurück und wird Premier.
In den vergangenen Monaten war in Moskau und im Ausland gelegentlich spekuliert worden, ob sich Medwedew gegen seinen Mentor Putin auflehnen und für eine zweite Amtszeit kandidieren könnte. Doch zum Machtkampf kam es nicht. Indem Putin nicht selbst seine Ambitionen auf eine Rückkehr in den Kreml verkündete, sondern sich von Medwedew vorschlagen ließ, demonstrierte er nun, dass seine Macht unangefochten ist. Medwedew wiederum machte mit diesem Auftritt jegliche Zweifel an seiner Loyalität gegenüber Putin zunichte.
Damit ist es genau so gekommen, wie Putin es offenbar gegen Ende seiner zweiten Amtszeit als Präsident geplant hatte: Er suchte als Nachfolger einen Mann aus, der keine Machtambitionen erkennen ließ und nie seine eigene Popularität erreichte. Nun räumt Putins Statthalter im Kreml das Feld. Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun, diese Art der Machtübergabe gibt es sonst nur in Diktaturen.
Im Westen hat man in Medwedew von Anfang an den Reformer gesehen – oder vielmehr sehen wollen. In seinen Reden sprach er von Modernisierung und erweckte den Eindruck, damit meine er nicht nur eine wirtschaftliche Erneuerung, sondern auch eine gesellschaftliche. Er kritisierte Korruption und mangelnde Rechtsstaatlichkeit. Doch den schönen Worten ließ er kaum Taten folgen. Derweil blieb Premier Putin der eigentlich mächtige Mann, gegen dessen Willen keine Entscheidungen getroffen wurden. Das Land war auch unter Medwedew stets Putins Russland.
Genau deshalb wird sich wenig ändern, falls Putin im kommenden Jahr wieder in den Kreml einzieht. Ist das denn nicht die viel beschworene Stabilität, auf die gerade die deutsche Außenpolitik so gern gesetzt hat? Doch wie trügerisch diese Art der Stabilität ist, hat sich zuletzt in Ägypten gezeigt. Dass es in absehbarer Zeit keine Veränderungen in Russland geben wird, ist keineswegs die gute, sondern die schlechte Nachricht. Politische Stagnation, autoritäre Tendenzen, fehlende Rechtsstaatlichkeit und schließlich der Abschied von der Demokratie jenseits aller gelenkten Inszenierungen – das alles ist Putins Russland. Und nach der nun angekündigten Rochade könnte das bis zum Jahr 2024 so bleiben.
Damit stellt sich aber auch die Frage, ob Deutschland in seiner Russlandpolitik weitermachen kann wie bisher. Merkel lobte am Samstag noch einmal demonstrativ Medwedew, fügte aber hinzu, die Zusammenarbeit werde mit jedem russischen Präsidenten gut sein, weil beide Länder eine strategische Partnerschaft verbinde. Doch Deutsche und Russen meinen oft Verschiedenes, wenn von dieser Partnerschaft die Rede ist. Hilfe bei der wirtschaftlichen Modernisierung einerseits und verlässliche Gaslieferungen andererseits sind nicht genug. Wenn diese Partnerschaft mit öffentlichem Schweigen zu autoritären Verhältnissen erkauft wird, ist sie nicht mehr viel wert.