Kontrapunkt: Loki Schmidt: Nüchtern, herzlich, ehrlich, bescheiden
Was sagt uns der Tod von Loki Schmidt? Was kann uns die Trauerfeier im Hamburger Michel noch sagen? Ist es nicht nur, dass alles vergänglich ist? Dass alles seine Zeit hat?
Es ist mehr. Die Tiefe der Tradition, die Tiefe der menschlichen Beziehung, die möglich ist, die Bedeutung des Aufeinanderbezogenseins und die Erkenntnis, dass kein Mensch ohne den anderen leben kann – das ist das Bleibende. Der Mensch als Beziehungswesen, so wie wir alle das Ergebnis einer Beziehung schon lange vor unserer Geburt sind.
Nichts ist aktueller als das. Wir diskutieren – mehr, als wir inzwischen noch über die Modernität der Gesellschaft mit geschiedenen Kanzlern und homosexuellen Außenministern reden – über die Organspende eines hochrangigen Politikers für seine Frau oder eben über eine nahezu buchstäblich lebenslange Verbundenheit des Ehepaars Schmidt.
Wir reden wieder von Werten, von Tugenden. Von aufgeklärtem Tun. Wenn der Mensch in der Tat seine Pflicht erfüllt, sagt Kant, ist er der Glückseligkeit würdig. Loki Schmidt hat in dieser Weise gehandelt, unprätentiös, aber nachhaltig. Und ist nicht auch gerade viel von Nachhaltigkeit in der Politik und im täglichen Leben die Rede?
Sie hat ausgehalten, immer. Zunächst den Krieg und dessen Entbehrungen, später die Zeit der Prüfung als Frau des einflussreichsten Politikers in Deutschland. Sie hat es, wie eine Mahnung steht es vor den jüngeren Generationen, mit Würde getan, dazu mit Tapferkeit, einer der vier Kardinaltugenden. Würde bedeutet vor allem das: ein Verhalten, das gemessen, besonnen und glaubhaft das Absehen von eigenen Nöten signalisiert und so bei anderen Ehrfurcht zu wecken geeignet ist.
Damit erklärt sich, dass Tausende, die sie gar nicht persönlich kannten, kamen und stundenlang warteten, ehe sie sich ins Kondolenzbuch eintragen konnten.
Sie war gelassen. Beherrschung der Triebe durch die moralische Kraft ist Geisteskraft, und Würde heißt ihr Ausdruck in der Erscheinung, schrieb Schiller. Wer wünschte sich das nicht? Und weil Loki Schmidts Partner Helmut Schmidt heißt, der Marc Aurel verehrt, sei dieser Satz zitiert, der auf beide passt: Lass dich das Zukünftige nicht anfechten, du wirst, wenn es nötig ist, schon hinkommen, getragen von derselben Geisteskraft, die dich das Gegenwärtige beherrschen lässt.
Nüchtern, herzlich, ehrlich, bescheiden – von Alters her wünscht man sich Menschen so. Wünscht sich eine Gesellschaft die, die sie repräsentieren. Loki Schmidt wurde so beschrieben, als sie die Ehrenbürgerwürde erhielt. Und jetzt wieder, dass es nachklingt. Das Private kann zum Politischen taugen, nicht bei jedem, aber bei einzelnen, für viele.
Sie war unabhängig – und ist zeitgemäß, nach all diesen Jahren und im Jahrzehnt des Postfeminismus. Emanzipiert auf eine Weise, die eine Brücke zur modernen Welt schlägt: unaufgeregt, ihrer selbst bewusst, dominant im Wissen darum, dass sie nicht nur die Frau an seiner Seite war, sondern nicht austauschbar, bedeutsam, weil Liebe doch auch „die Idee der wechselseitigen Anerkennung“ ist.
Das alles kann uns Loki Schmidt heute sagen. Ihre Trauerfeier zeigt, dass ein guter, ein rechtschaffener Mensch zuverlässiger ist als eine steinerne Brücke.
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