Urteil zum Mietspiegel: Kritik an den Kriterien
Der Senat war gewarnt: Kippt der Mietspiegel, wird auch die Mietpreisbremse zur stumpfen Waffe. Ein Kommentar
Ein Richterspruch mit Sprengkraft, das ist das Urteil des Charlottenburger Amtsgerichts zu Berlins Mietspiegel. Einem Pfeifen im Walde kommt deshalb die schnelle Behauptung aus der Senatsverwaltung gleich, es handele sich dabei um ein einzelnes, nicht rechtskräftiges Urteil, dem anderslautende Urteile gegenüberstehen. Das ist nicht falsch – und doch nur die halbe Wahrheit.
Denn das Urteil kommt zu einem heiklen Moment: für Berlin, weil der Senat am Montag den Mietspiegel 2015 vorstellen will, dessen systematische und statistische Grundlage das Gericht gerade für ungültig erklärt hat; und für Millionen Mieter in der gesamten Republik, weil sich die künftige Mietpreisbremse in den belasteteten Ballungsräumen auf den Mietspiegel stützt. Berlin aber galt bisher bei der Mietspiegelerstellung als vorbildlich für andere Großstädte.
Feine Häuser und schrottige Nachkriegsbauten
Der Senat war gewarnt. Denn am Mietspiegel, dem zentralen Instrument, um die Preise für die begehrte Ware Wohnraum zu dämpfen, hat es schon früher Kritik gegeben – von Vermietern und Mietervereinen gleichermaßen. Das betrifft sowohl die Einteilung mit als willkürlich und unzureichend angesehenen Kategorien als auch die Ausblendung von Mietpreisen, die aus politischen Gründen als Wucher definiert werden.
Warum feinste 20er-Jahre-Häuser in der gleichen Kategorie sind wie schrottige Nachkriegsbauten oder schattige Erdgeschosswohnungen, leuchtet nicht ein. Die vom Senat im Koalitionsvertrag 2011 angekündigte Weiterentwicklung der Methodik und der Transparenz der Daten aber hat es nicht gegeben.
Eines ist deshalb sicher: Der in Berlin angespannte Wohnungsmarkt wird weiter unter Druck geraten und der Kampf um Wohnraum noch härter werden. Vor allem weil die Landesregierung nicht sicherstellt, dass genügend Wohnungen für die wachsende Bevölkerung gebaut werden. Im vergangenen Jahr wurden nicht die vom Senat angekündigten 10000 Wohnungen fertig, sondern nur 8500 – die Hälfte davon im teuren Eigentumssegment. Dabei ist unter Fachleuten längst Konsens, dass Berlin jährlich mindestens 15000 neue Wohnungen benötigt.
Das Urteil wird Juristen weiter beschäftigen
Mit dem Urteil zum Mietspiegel kommt deshalb die gesamte Strategie des Senats ins Rutschen. Der hatte schließlich maßgeblich für eine bundesweite Mietpreisbremse gekämpft, die Preissprünge bei Neuvermietungen auf zehn Prozent begrenzt – auf der Grundlage des Mietspiegels. Fällt der, wird auch die Mietpreisbremse eine stumpfe Waffe, um den Wohnungsmarkt zu beruhigen.
Das Urteil wird Juristen weiter beschäftigen. Der Senat sollte darauf nicht warten. Denn das Gutachten, das dem Urteil zugrunde liegt, wird Wirkung entfalten. Was die Vermieter freut, verunsichert die Mieter. Eine Situation, in der um jede Miete gerichtlich gefochten wird und sich der Finanzstärkere durchsetzt, kann Berlin nicht brauchen. Stattdessen sollte sich der Senat bemühen, mit den Vermietern gemeinsame Kriterien zu entwickeln, um den Konflikt zu entschärfen. Eingebunden sein muss dabei auch die Bundesregierung. Hier an der Spree, aber auch in anderen Großstädten geht es auch um den sozialen Frieden.
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