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Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.
© Reuters

Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern: Kompromissloses Nahost

Palästinenser und Israelis haben sich mit der Lage in Nahost arrangiert. Eine fatale Entwicklung, die eine Lösung des Konflikts quasi unmöglich macht.

Aus und vorbei. Der Friedensprozess im Nahen Osten ist mausetot. Alle Wiederbelebungsversuche durch den amerikanischen Außenminister John Kerry waren erfolglos. Selbst wenn es Washingtons Chefdiplomaten gelingen sollte, die Leichenstarre noch einmal für einige Monate zu kaschieren – die Gespräche zur Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern sind gescheitert. Die Dauerpatienten wollten sich nicht helfen lassen. Vielmehr ließen sie kaum eine Gelegenheit aus, missgünstig wie misstrauisch ihrem Gegenüber das Leben schwer zu machen. Schlimmer noch: Die Konfliktparteien haben das Schlichtungsengagement der Supermacht kalt lächelnd ins Leere laufen lassen und sie somit dem Spott preisgegeben. So blamiert werden die USA auf absehbare Zeit keinen ernsthaften Versuch mehr unternehmen, die Kontrahenten an einen Tisch zu bringen. Mission am Ende. Dabei sah es anfangs gar nicht mal schlecht für eine Einigung zwischen Israelis und Palästinensern aus. Beide gingen – wenn auch unter Aufsicht und ständigen Ermahnungen der USA – ans Werk, hatten sich Stillschweigen über den Fortgang der Verhandlungen verordnet. In aller Ruhe und ungestört von der Weltöffentlichkeit sollten die Gespräche geführt werden. Einen strittigen Punkt nach dem anderen abarbeiten, lautete die Zielvorgabe. Eine gute Idee, eigentlich. Doch im Laufe der Monate wurde klar: Die Beteiligten beharren auf ihren alten, unnachgiebigen Positionen. Und das, obwohl allen bewusst sein musste, was auf dem Spiel stand. Zwar war immer wieder vollmundig von einer „historischer Chance“ die Rede. Doch stellte sich das letztendlich nur als inhaltloses Gerede heraus. Offenkundig hatte niemand wirklich vor, sich zu bewegen und auf den anderen zuzugehen. Im Gegenteil. Man zementierte geradezu vorhandene Hindernisse. Siedlungsbau, Flüchtlinge, Status von Jerusalem, Grenzziehung – in keiner dieser strittigen Fragen gab es die Bereitschaft zu einem Kompromiss. Hartleibigkeit siegte über Vernunft.

Dafür gibt es zwei entscheidende Gründe. Zum einen haben die Hardliner in Jerusalem und Ramallah nichts unversucht gelassen, die Verhandlungen zu torpedieren. Selbst wenn man Israels Premier Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas guten Willen bescheinigen möchte, was einem sehr schwer fällt: Sie hatten weder den Mut noch die Kraft, den Widerstand der Extremisten gegen jede Art von Minimalkonsens zu brechen. Zum anderen sahen sie sich vermutlich nicht einmal genötigt, am Ist-Zustand zu rütteln. Denn es gehört zur bitteren Realität im Nahen Osten, dass die Kontrahenten über die Jahre hinweg den Status quo geradezu verinnerlicht haben. Man hat sich, so der verstörende Eindruck, mit der Situation arrangiert. Eine fatale Entwicklung, die eine Lösung des Konflikts quasi unmöglich macht.

Diese mangelnde Flexibilität wird Palästinensern wie Israelis allerdings schon bald schmerzhaft auf die Füße fallen. Denn Amerika und die Europäische Union hatten gleichermaßen mit Sanktionen gedroht, wenn das Projekt Frieden scheitern sollte. Das betrifft nicht nur die politische Unterstützung, sondern vor allem die finanzielle. Viele Millionen werden Jerusalem und Ramallah vermutlich so entgehen. Eine gerechte Strafe für Uneinsichtigkeit, die gerade die Palästinenser hart treffen wird, weil sie am Tropf internationaler Geldgeber hängen. Aber auch Israel wird zu kämpfen haben – mit seiner Isolation. Doch Mitleid ist fehl am Platz. Das verdient dieses Mal allein John Kerry. Der US-Außenminister ist die tragische Figur der jüngsten, ergebnislosen Verhandlungsrunde. Schon viele Staatsmänner haben sich am Frieden im Nahen Osten versucht, aber wohl keiner hat so viel persönlichen Einsatz gezeigt wie der 70-Jährige. Kerry war fast häufiger in der Krisenregion anzutreffen als in Washington. Unermüdlich bemühte er sich darum, die störrischen Parteien bei der Stange zu halten. Dabei strahlte er trotz aller Gesprächskrisen stets Optimismus aus.

Das mag man ihm als Naivität oder unrealistisches Wunschdenken ankreiden. Allerdings ist dieser Vorwurf wohlfeil. Alle Beteiligten bescheinigen Kerry, sich ernsthaft ins Zeug zu legen. Nun allerdings hat sogar der Unermüdliche die Nase voll. An einen Fortschritt, gar einen Ausweg scheint Amerikas Chefdiplomat nicht mehr zu glauben. Die Regierungen der Konfliktparteien müssten selbst entscheiden, was sie miteinander, füreinander, für die Region, für die Zukunft bereit sind zu tun, erklärte Kerry vor wenigen Tagen. Und es klang resigniert. Der Vorrat an Geduld ist aufgebraucht. Aus der Herzensangelegenheit ist ein hoffnungsloser Fall geworden. Wer ist schuld daran? Darauf haben die störrischen Israelis und Palästinenser jeweils ihre eigenen Antworten. Genau das ist das Grundübel. Beide haben die Kompromisslosigkeit zur Doktrin erklärt. Für den Friedensprozess bedeutet dies: aus und vorbei.

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