Gastbeitrag von Philip Murphy: Kluge Investitionen zahlen sich aus
Vor 65 Jahre wurde der Marshallplan ins Leben gerufen: Die Prinzipien von damals gelten auch heute.
Heute vor 65 Jahren hielt Außenminister George C. Marshall die Abschlussrede an der Harvard University. Diese Reden sollen die Absolventen inspirieren, in die Welt hinauszugehen und Großes zu leisten. Seine zwölfminütige Rede inspirierte die Welt, zusammenzurücken und Großes zu leisten. Angesichts der Situation 1947 waren große Taten dringend erforderlich. Nach einem verheerenden Krieg waren Inspiration und andere greifbarere Güter Mangelware.
Auftritt Außenminister Marshall: An jenem Junimorgen 1947 kündigte er einen Plan über wirtschaftliche Unterstützung für die zerstörten Länder Europas an. Er erklärte, warum es im Interesse der Vereinigten Staaten sei, Europa beim Wiederaufbau zu helfen. Das allein war schon bedeutend, aber was den Marshallplan so revolutionär machte, war die völlig neue Art wirtschaftlicher und politischer Zusammenarbeit, denn Kooperation war die Voraussetzung für Unterstützung. Viele Länder waren skeptisch, insbesondere, was eine uneingeschränkte Partnerschaft Deutschlands mit dem Westen anging. Aber die widrigen Bedingungen im Nachkriegseuropa und die Logik der Wiederaufbaupläne überzeugten sie, wie wichtig Einigkeit war. Und das Ergebnis? Europa hat sich von einem von Krieg und Zwietracht zerrissenen Kontinent zu einer Union von Ländern und Idealen entwickelt, die sich für eine Welt mit mehr Sicherheit, Demokratie und Wohlstand einsetzen.
Heute sind Marshallplan und Erfolg Synonyme. Wie oft hören wir Forderungen nach einem neuen Marshallplan für Krisenregionen? Es ist aber wichtig, den Marshallplan nicht nur als Finanzspritze zu verstehen. Wir erinnern an den Marshallplan als Modell für gemeinsames Handeln. Meines Erachtens ist er ein sinnvolles Modell, das heute ebenso relevant ist wie damals.
Der Marshallplan war kurz- und langfristig eine sinnvolle Investition. Außenminister Marshall richtete seinen Ruf nach Unterstützung der Vereinigten Staaten für das zerstörte Europa an einen Kongress und kriegsmüde Amerikaner, die keine neuen Verpflichtungen eingehen wollten. Im Sommer 1947 wendete sich das Blatt langsam. Im Herbst lautete die Frage nicht mehr, ob Hilfe beim Wiederaufbau geleistet würde, sondern wie viel und in welcher Form. In den folgenden vier Jahren erhielten 17 Länder 13,3 Milliarden US-Dollar an Zuschüssen und Darlehen, teils in Form von Lebensmitteln, Rohstoffen und technischer Hilfe. Das entspräche heute mehr als 140 Milliarden US-Dollar.
Ebenso wie es beim Marshallplan nicht nur um Geld ging, kann auch seine Rendite nicht nur in Zahlen gemessen werden. Die Erfahrungen mit dem Marshallplan zeigen, dass sich kluge Investitionen – in Verbindung mit harter Arbeit, guten Ideen, Eigenverantwortung und Engagement für Ideale wie Gleichheit, Freiheit und Chancen – auszahlen. Damals und möglicherweise auch heute argumentierten einige, dass die Motive für den Marshallplan nicht rein altruistischer Natur waren. Das stimmt. Schon damals hatte man erkannt, was sich in den folgenden 65 Jahren vielfach bestätigt hat – auch hier in Deutschland: Unsere gemeinsame Zukunft hängt von wirtschaftlich erfolgreichen und demokratischen Gesellschaften ab – und zwar überall. Daher war der Marschallplan die richtige Entscheidung – für die Vereinigten Staaten, für Europa, für die Welt. Außenministerin Clinton formuliert es so: „Europa ist der Eckpfeiler des weltweiten amerikanischen Engagements.“ Heute können wir als starke transatlantische Partner die Herausforderungen einer komplexen, globalisierten Welt mit den gleichen Grundsätzen, der gleichen Energie und Zuversicht angehen wie vor 65 Jahren.
An diesem Jahrestag dürfen wir diese Lehre der Vergangenheit nicht vergessen. Wenn wir der Helden der Geschichte – wie George C. Marshall – gedenken, dürfen wir nicht vergessen, dass wir es sind, die die Geschichte der Zukunft schreiben. Diese Botschaft war die richtige für Harvard 1947, aber sie ist auch die richtige für 2012, in den Vereinigten Staaten oder hier in Deutschland. Es ist eine Botschaft, an die wir uns alle erinnern sollten.
Der Autor ist Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland.
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