zum Hauptinhalt
Eine gentechnisch veränderte Maispflanze.
© dapd

Kontrapunkt: Klimawandel: Was wirklich hilft

Wer den Klimawandel ernst nimmt, muss grüne Gentechnik fördern. Denn für immer mehr Menschen steht bald immer weniger Agrarland zur Verfügung. Malte Lehming fordert im heutigen Kontrapunkt eine seriöse Klimawandelfolgenpolitik.

Wer den Klimawandel ernst nimmt, muss grüne Gentechnik fördern. Er muss in sie investieren, sie ausbauen und sich zum Primat des kleineren Übels bekennen. Er muss Scheuklappen ablegen und Verantwortung übernehmen. Denn es geht um mehr als Prinzipien. Es geht um das Überleben von Millionen von Menschen.

Seit Montag treffen sich die Staaten dieser Erde wieder einmal zu einer Weltklimakonferenz, diesmal in der mexikanischen Stadt Cancun. Offiziell halten sie am Ziel fest, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius plus zu beschränken. Doch jeder weiß längst, dass dieses Ziel illusorisch geworden ist. Zum einen können sich die Staaten nicht auf verbindliche Reduktionen des Kohlendioxidausstoßes einigen, zum anderen steigt der weltweite Energiehunger. Ob in Indien, China oder Afrika: Immer mehr Menschen wollen einen Staubsauger, eine Waschmaschine, eine Klimaanlage und ein Kraftfahrzeug. Die Erde wird also wärmer, fragt sich nur, wie schnell. Der Kampf, diese Erwärmung in moderaten Grenzen zu halten, darf als verloren gelten.

Das heißt, dass es mit Klimaschutzpolitik allein nicht mehr getan ist. Sie muss ergänzt werden durch eine seriöse Klimawandelfolgenpolitik. Eine der Folgen des Klimawandels wird sein, dass für immer mehr Menschen immer weniger Agrarland zur Verfügung steht. In einigen Gegenden werden Äcker versteppen, in anderen dauerüberflutet sein. Vergrößern ließe sich die Fläche durch weitere Rodungen, das aber würde die Teufelsspirale nur noch beschleunigen.

Bereits ohne den Klimawandel ist das Problem gravierend. Im Jahre 2050 wird die Weltbevölkerung auf rund neun Milliarden Menschen gestiegen sein. Sie alle wollen ernährt werden, die Nachfrage nach Agrargütern steigt rapide an. Gedeckt werden kann sie nur durch eine Steigerung der Effizienz. Getreide, Reis, Mais, Baumwolle muss einerseits unempfindlicher gemacht werden gegen Trockenheit und Überflutung, andererseits ertragreicher und gehaltvoller.

Afrikaner zum Beispiel essen jährlich rund sieben Millionen Tonnen Kartoffeln, die aber kaum Vitamin A, Eisen und Zink enthalten. Hunderttausende von Kindern könnten jedes Jahr gerettet werden, wenn es gelänge, durch Biofortifikation – wozu auch genetische Veränderung gehört – diese lebenswichtigen Ernährungsstoffe den Kartoffeln hinzuzufügen. In Ländern wie Uganda und Mosambik werden bereits viel versprechende Versuche damit gemacht. Womöglich ist eine gezielte Förderung der Gentechnik weitaus günstiger und effizienter, als es eine Verzehnfachung des Entwicklungshilfebudgets wäre.

Der weltweite Trend gibt Anlass zur Hoffnung. Im Februar veröffentlichte die gemeinnützige Organisation „International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications“ (ISAAA) ihren Jahresbericht. Demnach ist die angewandte Gentechnologie um sieben Prozent gestiegen. Mehr als Dreiviertel aller Sojabohnen weltweit sind bereits genetisch manipuliert – wie rund die Hälfte der Baumwolle und ein Viertel des Mais. Vor allem in Entwicklungsländern wie Argentinien, Brasilien, Indien und China wird immer mehr Gengetreide angebaut. Viele afrikanische Länder zieren sich leider noch, hier gehören zu den Vorreitern Südafrika, Ägypten und Burkina Faso.

Europäer sind die vehementesten Kritiker der Gentechnik, die ablehnende Rolle Deutschlands ist besonders unrühmlich. Es stimmt, die Firma Monsanto zum Beispiel kontrolliert den amerikanischen Sojabohnenmarkt. Aber von einer Weltbeherrschung ist sie weit entfernt. Neunzig Prozent aller Bauern, die Gengetreide anbauen, leben in eher armen Ländern. Wahre Menschenfreunde haben das Potenzial, das in der Gentechnik steckt, längst erkannt. Auch die Biofortifikation ist Bestandteil einer seriösen Klimawandelfolgenpolitik. Träumer retten die Welt nicht. Das gemeinnützige Unternehmen HarvestPlus, das die afrikanische Kartoffel anreichern will, wird mit Millionenbeträgen von der „Bill und Melinda Gates Stiftung“ gefördert.

Wer den Klimawandel ernst nimmt, sollte sich daran ein Beispiel nehmen.

P.S.: Soeben wird bekannt, dass nun auch der Vatikan Ja zur grünen Gentechnik sagt. Noch im Laufe dieser Woche würden entsprechende Ergebnisse einer Studienwoche der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften veröffentlicht, heißt es in einer Pressemitteilung von NovoArgumente. In einem Fazit des Tagungsbandes, der in 16 Sprachen erscheint, steht: "In geeigneter Weise und verantwortlich angewandt, kann Gentechnologie unter vielfältigen Bedingungen wesentliche Beiträge zur Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität und der Nahrungsqualität leisten - durch Verbesserung des Ertrags und der Nahrungsqualität der Pflanzen, durch verbesserte Resistenz gegenüber Schädlingen wie auch durch Erhöhung der Toleranz gegenüber Dürre und anderen physikalischen Stresssituationen. Solche Verbesserungen sind weltweit dringend erforderlich, um die Nachhaltigkeit und Produktivität der Landwirtschaft zu erhöhen." Ausdrücklich wird betont, das Gentechnik eine Möglichkeit sei, um auf den Klimawandel reagieren zu können.

Zur Startseite