Park am Gleisdreieck: Jede Stadt hat die Parks, die sie verdient
Müll, Graffiti und Verwahrlosung prägen das Bild vieler Berliner Parks – jetzt auch im neu eröffneten Park am Gleisdreieck. Vielleicht sollten wir uns einfach daran gewöhnen.
Zu seinen Parks hat der Berliner seit jeher eine so innige wie schizophrene Beziehung: Einerseits zieht es Zehntausende von Großstadtbewohnern vor allem an den Wochenenden regelmäßig in die Grünanlagen der Innenstadt. Andererseits missbrauchen viele Parkbenutzer die zentralen Parks wieder und wieder als Müllkippe, Graffiti-Sprayfläche oder Ventil für überschüssiges Testosteron. So kommt es, dass auch der gerade vor drei Wochen eröffnet Park am Gleisdreieck bereits jetzt aussieht wie der Hinterhof eines verlassenen Hauses, in dem sich ein paar Halbwüchsige ausgetobt haben. Und schon ist die Aufregung groß, es wird über Parkwächter, Zäune und kontrollierte Eingangstore diskutiert.
Überraschend ist die Entwicklung am Gleisdreieck allerdings nicht. Wer sich, wie der Autor dieser Zeilen, mangels Alternativen an freien Tagen und abends öfter im Mauerpark zwischen Prenzlauer Berg und Wedding aufhält, ist Schlimmeres gewohnt als das, was man jetzt aus Kreuzberg hört. Im Mauerpark stapelt sich vor allem nach den Sommerwochenenden der Müll in großen Bergen. Das einst als Grünfläche angelegte Areal wurde bis zur Unkenntlichkeit von Grillern umgepflügt und verbrannt, Scherben pflastern den Gehweg, Schichten von Schmierereien säumen die Wände.
Und trotzdem geht man auch am nächsten lauen Sommerabend gerne wieder in den Mauerpark. Denn das ist das Berliner Paradoxon: Nur weil es aussieht wie auf einer Müllkippe, lassen wir uns doch nicht davon abhalten, hier eine gute Zeit zu haben.
Darüber kann man klagen, wie jetzt die enttäuschten Kreuzberger, die sich ärgern, dass bei ihrem neuen Park in so kurzer Zeit schon der Lack ab ist. Oder man kann aus der Not eine Tugend machen, wie diejenigen, die den Mauerpark trotz seines wilden Aussehens regelmäßig mit Leben füllen. Denn gerade an den Wochenenden, wenn hier Karaoke und spontane Konzerte, Freiluft-Tanzpartys und ein ausufernder Flohmarkt die Menschen in Scharen anziehen, vergisst man nach kurzer Zeit, wie verrottet und ungepflegt der Park eigentlich ist. Und vielleicht ist das ja auch der tiefere Sinn eines solchen Parks: Er soll Begegnungsstätte sein, ein Ort zum Ausspannen und Ausleben kreativer Energie, aber er muss dabei nicht aussehen wie der Kurpark von Bad Harzburg.
Natürlich könnte man sich auch in Berlin theoretisch vorstellen, dass alles ganz anders ist. Dass verantwortliche Bürger ihren Müll nach dem Grillen wieder mitnehmen, die lokale Jugend ihre Spraydosen nur auf den offiziell erlaubten Flächen entleert und jede Bierflasche nach Gebrauch im Altglascontainer landet. Das geht in anderen Städten ja auch, wie immer wieder von Zugezogenen zu hören ist. Das mag schon sein, aber dafür ist dort eben nicht Berlin. Und nachdem die Berliner in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gemacht haben, dass sie eine entsprechende bürgerschaftliche Verantwortung offenbar nicht auf sich nehmen wollen, wäre es illusorisch, das Problem nun mit mehr Kontrolle und Zwang beheben zu wollen.
Vielleicht sollten wir uns einfach damit abfinden, dass Parks in Berlin nun mal so aussehen wie sie aussehen und damit leben, dass von unserem Steuergeld bezahlte Putz- und Reparaturkolonnen regelmäßig die Grünflächen wieder halbwegs benutzbar machen. Jede Stadt hat die Parks, die sie verdient.
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