Wissenshunger: In Rage über Reis
Anfang August strahlte das philippinische Fernsehen ein verstörendes Video aus.
Es zeigt einige hundert Demonstranten an einem Reisfeld in der philippinischen Region Bicol. Sie rütteln am Zaun und reißen ihn nieder. Dann schwärmt der wütende Mob auf das Feld und zerrt die jungen Pflanzen aus der Erde.
Jetzt muss man Reis ja nicht mögen, ich selbst finde frische Tomaten zum Beispiel absolut ungenießbar und vermeide sie, so gut ich nur kann. Ich bin deswegen aber noch nie in einen fremdem Garten geklettert und habe das Gemüse mit Stumpf und Stiel ausgerissen. In einer Welt, in der Millionen Menschen hungern, zerstört man Lebensmittel nicht. Das immerhin haben mir meine Eltern beigebracht.
Ausgerechnet jene, die als Erste beklagen, wie viel Lebensmittel in der ersten Welt weggeworfen werden, verteidigen nun die Zerstörungswut der Philippiner. Der Reis auf dem Feld war genetisch verändert – und das ändert offenbar alles. Ich kann mir diesen pflanzenverachtenden Fanatismus nur mit einer Krankheit erklären: Nennen wir sie „Reisrage“.
Menschen, die unter dieser Krankheit leiden, kennen die Fakten: Auf dem Feld wuchs „goldener Reis“. Das ist Reis, dem ein Maisgen und ein Bakteriengen eingesetzt wurden, so dass er Beta-Carotin herstellt, die Vorstufe von Vitamin A. Die Reiskörner strahlen daher gelb wie Safranreis. Forscher haben den Reis mit öffentlichem Geld entwickelt, und sie verfolgen ein klares Ziel: Sie wollen helfen, in den ärmsten Regionen der Welt Menschenleben zu retten.
In Ländern wie den Philippinen ist Reis das Hauptnahrungsmittel, und weil er normalerweise kaum Vitamin A enthält, leiden viele Bewohner dort unter Vitamin-A-Mangel. Ohne den Stoff funktionieren weder die Augen noch das Immunsystem richtig. Laut Weltgesundheitsorganisation erblinden jedes Jahr zwischen 250 000 und 500 000 Kinder, weil ihre Nahrung nicht genug Vitamin A enthält. Die Hälfte dieser Kinder stirbt innerhalb der folgenden zwölf Monate.
Das alles wissen Menschen, die unter Reisrage leiden. Aber weil sie in einer kritischen Phase ihrer Entwicklung zu viel Greenpeace-Prospekten ausgesetzt wurden, können sie diese Fakten nicht rational bewerten. Sie sehen eine Verschwörung der bösen Agrarmultis, obwohl der Reis von Universitätsforschern entwickelt wurde und umsonst an Bauern verteilt werden soll. Sie behaupten, dass Vitaminpillen günstiger wären, obwohl Studien das Gegenteil gezeigt haben. Und sie sind überzeugt, dass das Vitamin im Reis nicht reichen wird, um den Mangel bei armen Menschen auszugleichen. Dass der Reis von dem zerstörten Feld genutzt werden sollte, um genau diese Frage zu untersuchen, können sie ausblenden.
Bisher hieß es, der Reis könnte bis Ende des Jahres in den Philippinen zugelassen werden. Sollte sich das nun verzögern, wäre das eine schlechte Nachricht für die Bevölkerung. Natürlich kann niemand mit Sicherheit vorhersagen, wie groß der Effekt der gelben Reiskörner auf die Gesundheit der Philippiner sein wird. Aber es besteht hier die Chance, tausenden Kindern ein längeres Leben zu schenken. Die Reisrage ist eigentlich eine Krankheit der Ersten Welt. Aber wie etwa die Masern exportieren wir sie in ärmere Regionen. Und es sind die Menschen dort, die am meisten unter den Folgen leiden.
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