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Internationaler Strafgerichtshof: In Amt und Unwürde

Dass an die Gewalt von Herrschenden ethische und rechtliche Maßstäbe gelegt werden, ist historisch relativ neu. Die Anklage gegen Sudans Herrscher Baschir ist ein Meilenstein für das Völkerrecht.

In Geschichtsbüchern finden Herrscher lang vergangener Epochen ihren Ort als faszinierende Gestalten. Auf dem Papier ist da die Rede von Schlachtengetümmel, Hunnenherrschern, Mongolenfürsten, Eroberern oder Landnahme, als ergäben diese Figuren und ihr Tun Teile bunter, wilder Bilderbögen. Jahrhunderte, Jahrtausende waren die Gräueltaten, die all das bedeutete, die Morde und Plünderungen ein „natürlicher“ Aspekt der Welt, nicht anders als spannende Vulkanausbrüche, die sich bei der Lektüre im Rückblick mit einer Mischung aus Gruseln und Bewunderung konsumieren lassen.

Dass an die Gewalt von Herrschenden ethische und rechtliche Maßstäbe gelegt werden, ist historisch relativ neu. Seit den Verheerungen durch die Diktatoren des 20. Jahrhunderts wuchs der Wunsch nach dem Ende einer „Kultur der Straffreiheit“, wie Juristen das Phänomen nennen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts brachte diese Bestrebung den Internationalen Strafgerichtshof hervor. Strafverfolgung soll auch die mächtigsten Täter erreichen.

Jetzt probiert der Gerichtshof sich erstmals an einem Täter dieser Klasse. Gegen Omar Hassan Ahmad al Baschir, den 64-jährigen Präsidenten des Sudan, liegt eine Klage vor, die schwerer kaum wiegen könnte: Er habe, so die Anklage, Staatsapparat, Militär und Milizen zu Massenmord angestiftet, zu Vergewaltigungen und Vertreibungen in der sudanesischen Region Darfur. Gezielt werde ein Genozid begangen. Bei den betroffenen Zivilisten handelt es sich um Gruppen, die Fur, Masalit und Zaghawa heißen – Leute, von denen der Rest der Welt wenig weiß und die dort kaum jemandem etwas bedeuten. Dem Internationalen Strafgerichtshof müssen sie etwas bedeuten. Sonst verliert er bereits in seinen Anfangsjahren seine Legitimität. Zu Recht weist Chefankläger Luis Moreno-Ocampo darauf hin, er dürfe sich Wegsehen nicht leisten. Wegsehen wäre Teilhabe an der Tat.

Ein Gerichtshof, dem die Fakten vorliegen, darf sie nicht in einem Schließfach mit den Etiketten „Diplomatie“ und „Opportunismus“ verstauen. Schon gar nicht darf das die nominell höchste Institution des Völkerrechts. Sie ist kein zürnendes „Weltgericht“ einer göttlichen Instanz, sondern die weltweit verantwortlichste Körperschaft des Rechts, und hier die einzige Hoffnung, die Opfern in Hinsicht auf Gerechtigkeit bleibt.

Kritiker monieren, diese Anklage führe zu diplomatischen Verstimmungen, sie erschwere es Helfern, im Land zu bleiben. Bei den Desastern in Ruanda wie Bosnien haben solche Argumente und genau solch zögerlicher Mangel an Mut und Klarheit noch mehr Tote gefordert. Auch der Vorschlag, da es doch da draußen genug andere Mörder gebe, müsse man nicht gerade al Baschir aufs Korn nehmen, ist verzerrend.

Kein seriöser, demokratischer Staatsanwalt würde sich derlei bieten lassen, sollte zum Beispiel ein Konzernchef für Morde verantwortlich sein, den man an anderer Stelle für die Wirtschaft „gerade dringend braucht“. Die von den Pogromen im Sudan Bedrohten verdienen maximale Aufmerksamkeit des internationalen Rechts. Anders entwertet es die Opfer – und sich selbst.

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