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Schlagzeilen nach dem Tod Osama bin Ladens.
© AFP

Gastkommentar: In Abbottabad war die Weltpolizei im Einsatz

Das Völkerrecht ist im Wandel. Das amerikanische Vorgehen in Pakistan ist ein weltgeschichtlicher Schritt nach vorn. Die Stunde muss genutzt werden für die Etablierung einer Weltpolizei.

Wenn das gegenwärtige Völkerrecht ernst genommen werden soll, muss man sagen: Es war rechtswidrig, bin Laden wie einen Hund zur Strecke zu bringen. Schon innerhalb eines Staates ist ein solches Vorgehen nur ausnahmsweise als finaler Todesschuss erlaubt; umso schwerwiegender ist der Rechtsbruch, wenn er außerhalb der nationalen Grenzen geschieht. Denn in diesem Fall kommt erschwerend hinzu, dass er geeignet ist, einen Krieg auszulösen.

Die Kriegsverhütung, genau genommen: die Weltkriegsverhütung, ist die Hauptaufgabe des bisherigen Völkerrechts. Seine oberste Regel ist das generelle Gewaltverbot; schon ein unerlaubter Schuss auf fremdem Territorium gilt als verbotener Angriffskrieg. Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass auch ein kleiner Gewaltakt gegen eine schwache Nation einen Weltkrieg auslösen kann: Mächtige Freunde können ihr zu Hilfe kommen und die gefürchtete Eskalation tritt ein. So sind ja beide Weltkriege vom Zaum gebrochen worden. Auch humanitäre Legitimierungen werden deshalb nicht zugelassen. Das Bombardement Belgrads war trotz seiner moralischen Begründung ein verbotener Angriffskrieg, gegen den Russland und China hätten zu Hilfe kommen können – ein Krieg, der zu einem Weltkrieg hätte eskalieren können.

Damals wurde die Rechtswidrigkeit des Angriffs vonseiten westlicher Völkerrechtler geleugnet. In spitzfindiger Argumentation konnten dann auch die Kriege gegen Afghanistan und Irak als rechtmäßig hingestellt werden: Das Völkerrecht sei im Wandel, das neue Auftreten privater Gewalten entzöge ihm die Grundlage.

Jetzt wurde die internationale „Rule of Law“ wieder gebrochen. Der legale Weg wäre ein Auslieferungsantrag an die pakistanische Regierung gewesen. Dieses Vorgehen hätte zwar wenig Erfolg versprochen – würde dieser Gesichtspunkt aber zur allgemeinen Regel, so würde unter ihrem Schutz jede Nation in jeder anderen nach Belieben wildern dürfen. Die Staatenwelt würde vollends in den Naturzustand zurückfallen.

Andererseits: die Tötung bin Ladens war richtig. Denn das Völkerrecht ist wirklich im Wandel – allerdings in einem anderen, als die Rabulistik des westlichen Völkerrechts behauptet. Es hat in der politischen Wirklichkeit Veränderungen gegeben, die dem prinzipiellen Gewaltverbot die Grundlage nehmen, aber es ist nicht das Auftauchen privater Gewalten – denn die gab es schon immer.

Der Wandel, der dem Völkerrecht die Grundlage nimmt, ist nicht die Zersplitterung staatlicher Gewalt, sondern ganz im Gegenteil ihre zunehmende internationale Monopolisierung, die die zunehmende Anerkennung einer einzigen „Superpower“, gegen die keine andere Nation aufzustehen wagt: der USA und der Nato. Diese Gewaltmonopolisierung macht das gezielte Vorgehen gefahrlos, denn die übermächtige Drohgewalt dieses militärischen Bündnisses verhindert die von der Charta gefürchtete Eskalation. Zunehmend kann dieses Bündnis so unangefochten agieren wie die Polizei im Inneren einer Nation.

Diese Betrachtung scheint übermäßig realpolitisch zu sein. Sie ist es aber nicht. Das chirurgisch-gezielte Vorgehen, in dem das massenhafte Sterben von Soldaten und Zivilisten vermieden wird, hat alle moralischen Argumente auf seiner Seite. Das generelle Gewaltverbot der Charta hat seine Berechtigung nur, solange sich keine Weltpolizei herausgebildet hat, die so übermächtig ist wie die nationalen Polizeikräfte, die nicht in breiten Fronten vorgehen, sondern chirurgisch-gezielt.

Dieser Zustand bildet sich immer mehr heraus. Entgegen allen Unkenrufen, dass die westliche Welt im Abstieg sei, hat sie in letzter Zeit ganz im Gegenteil einen starken ideellen Aufstieg erlebt. In den USA regiert ein Präsident, den sich große Teile der Welt, zumal Afrika, als ihren Herrscher wünschen; in der islamischen Welt zeigen die Rebellionen, dass dort die Bereitschaft hoch ist, sich der westlichen Welt zu unterwerfen. Diese Stunde muss genutzt werden für die weitere Etablierung einer Weltpolizei. Deshalb ist das amerikanische Vorgehen in Pakistan ein weltgeschichtlicher Schritt nach vorn.

Die Autorin ist Juristin und unterrichtet an der Uni Potsdam.

Sibylle Tönnies

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