Fall Polanski: Im völlig falschen Film
Er ist kein unschuldiges Opfer: Was Roman Polanski 1977 mit der damals 13-jährigen Samantha gemacht hat, war Vergewaltigung. Die Hollywood-Stars, die sich jetzt über seine Festnahme empören, wären gut beraten, dieses Verbrechen auch so zu benennen.
Wenn es nur die Ochsenknecht-Söhne wären. Aber nicht nur Jimi Blue und Wilson Gonzalez tragen jetzt die "Free-Polanski"-Plakate vor sich her, sondern auch Tom Tykwer, Wim Wenders, Woody Allan, Tilda Swinton, Pedro Almodovar, David Lynch, Paul Auster und viele andere nationale und internationale Stars sind entsetzt, erschüttert und wütend - auf die Schweiz, die es wagte, Regisseur Roman Polanski verhaften zu lassen. In einer Petition fordern sie, ihn sofort freizulassen. Whoopie Goldberg verstieg sich dazu, zu erklären, bei der Tat damals handelte es sich nicht um "rape-rape".
Doch was soll es denn sonst gewesen sein? Ein Kavaliersdelikt? Es ist schon erstaunlich, welch furchtbare Klischees jetzt bemüht werden, um das Verbrechen, das Roman Polanski 1977 an der damals 13-jährigen Samantha Gailey begangen hat, zu verharmlosen.
Dabei lief die Tat nach einem Muster ab, das aus dem Lehrbuch für Pädophile stammen könnte. Der Täter war kein Unbekannter, er hatte das Vertrauen des Kindes und der Mutter. Polanski war damals 43 Jahre alt. Samantha Gailey war 13. Er war ein berühmter Regisseur und gab vor, Fotos von dem Mädchen machen zu wollen. Nachdem er ihr Champagner und ein Beruhigungsmittel gegeben hat, verlangt er immer mehr von ihr. Erst soll sie für Oben-Ohne-Fotos posieren, dann doch mal die Hose ausziehen und in den Whirlpool steigen. Das alles unter dem Vorwand, dass "das Licht dort besser sei" oder es für die Aufnahmen wichtig sei. Anschließend weist er sie an, ins Schlafzimmer zu gehen und vergewaltigt sie. Zwischendurch fragt er, ob sie die Pille nimmt. Als sie verneint, macht er mit Analverkehr weiter. Das verstörte und betrunkene Mädchen bittet ihn vor und während der Tat mehrmals, aufzuhören, sie sagt deutlich nein, und bittet ihn, sie nach Hause zu bringen. Das alles kann man in den Vernehmungsprotokollen nachlesen, und es gibt keinen Grund, den Aussagen nicht zu glauben.
Es ist in diesem Zusammenhang völlig irrelevant, ob der Täter eine schwere Vergangenheit hatte, ob seine Filme künstlerisch wertvoll sind oder ob die Mutter des Kindes verantwortungslos gehandelt hat und ihr Kind eventuell in die Arme eines Vergewaltigers getrieben hat, weil sie eine Filmkarriere für ihre Tochter erhofft hat. Es ist auch egal, ob er dem Mädchen ein Messer an die Kehle gehalten hat (was nicht der Fall war) oder "nur" das Machtgefälle zwischen den beiden und die Drogen ausgenutzt hat. Wie soll sich ein 13-jähriges Mädchen, das sich alleine mit einem 30 Jahre älteren Mann in einer fremden Wohnung aufhält, wehren? Es ist absurd, dem Opfer eine Mitschuld zuzuweisen. Polanski hatte die alleinige Verantwortung für die Tat.
Er hat zugegeben, mit der 13-Jährigen Sex gehabt zu haben, hat aber offenbar Schwierigkeiten einzusehen, dass es sich um eine Vergewaltigung handelt. Dass er die Tat bereut, dass er mehr bedauert, als dass er dadurch in seinem weiteren Leben gewisse Unannehmlichkeiten ertragen musste und beispielsweise seinen Oscar nicht persönlich in Empfang nehmen konnte, ist nicht bekannt. Zwar zahlte er dem Opfer 1997 ein Schmerzensgeld in unbekannter Höhe, und Samantha Gailey hat sich mittlerweile für eine Verfahrenseinstellung ausgesprochen. Doch sie sagt nach wie vor, dass es falsch war, was Polanski ihr damals angetan hat. Sie möchte nur nicht wieder und wieder in die Öffentlichkeit gezerrt werden.
In einem Interview von 1987 rechtfertigt Polanski seine Vorliebe für junge Mädchen. Kurz nach der Vergewaltigung fing er eine Affäre mit Nastassja Kinski an, die damals 16 Jahre alt war. Zu dem Vorfall mit Samantha sagt er, er habe sehr lange gebraucht, um einzusehen, dass es falsch war. Besonders überzeugend klingt das nicht.
Natürlich sind die Umstände seiner Verhaftung dubios und es mag sein, dass die Schweiz durchaus auch im eigenen Interesse gehandelt hat, um die Beziehungen mit den USA zu verbessern. Polanskis Tat bleibt trotzdem ein Verbrechen. Und die Stars, die sich jetzt für seine Freilassung einsetzen, wären gut beraten, dies bei ihren Unterstützungsaufrufen mindestens zu erwähnen und zu missbilligen. Es stellt sich außerdem die Frage, wie die Filmbranche und die Medien in Europa so lange ignorieren konnten, dass Polanski ein Kind missbraucht hat und sich einer Verurteilung durch Flucht entzogen hat.
Polanski selbst wurde als Jugendlicher vergewaltigt. Es darf bezweifelt werden, dass dieser Täter auf ein eben so großes Verständnis bei den Hollywood-Größen hoffen könnte.
Ein Kommentar von Sylvia Vogt
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