Meinung: „Ich war gewohnt, dass es voranging“
Früher beschäftigte sich Christa Müller mit der großen weiten Welt. Zum Ärger aller, die die Ehefrauen großer Männer am liebsten dekorativ und stumm mögen, forderte die Volkswirtin und Gattin Oskar Lafontaines die Kontrolle der Europäischen Zentralbank.
Früher beschäftigte sich Christa Müller mit der großen weiten Welt. Zum Ärger aller, die die Ehefrauen großer Männer am liebsten dekorativ und stumm mögen, forderte die Volkswirtin und Gattin Oskar Lafontaines die Kontrolle der Europäischen Zentralbank. Zuvor hatte die heute 50-Jährige für die EU gearbeitet und bei der Friedrich-Ebert-Stiftung geforscht, später schrieb sie mit Lafontaine ein Buch: „Keine Angst vor der Globalisierung“.
Tempi passati. Seit der Geburt ihres Sohnes Carl-Maurice 1997 hat sich die Frau mit der einst provozierend weißblonden Stoppelfrisur nicht nur äußerlich gewandelt. Sie gab ihre Stelle auf, widmete sich der Pflege von Sohn, Mutter und Schwiegermutter und hielt sich im Hintergrund. Jetzt ist sie zurück. Ihr neues Buch soll „Achtung Hausfrau!“ heißen und verspricht im Untertitel einen „Beruf mit Aufstiegschancen“. Bischof Mixas Tirade gegen die Familienpolitik Ursula von der Leyens unterstützt sie ebenso wie den Antifeminismus der TV-Moderatorin Eva Herman.
Achtung Hausfrau? Vermeiden wir Ferndiagnosen und weisen lediglich darauf hin, dass Wandlungen vom Paulus zum Saulus auch unter Frauen nicht eben selten sind. Dorothea Schlegel, eine frühe Emanze des 18. und 19. Jahrhunderts, die schrieb und in wilder Ehe lebte, verdammte im Alter ihr wenig gottgefälliges Leben. Und besagte Eva Herman hatte lange ohne Haushaltsgeld vom Mann gut gelebt, bis sie entdeckte, dass sie sich um wahre Erfüllung gebracht hatte: die 24-Stunden-Sorge ums Kind und ein Leben in Abhängigkeit vom Einkommen des Gatten.
Es ist hart zu lernen, dass Frausein noch immer zu oft Verzicht heißt: Entweder Kinder oder Karriere und wenn beides, dann doch bestraft mit Stress und Gewissensbissen. „Ich war gewohnt, dass es voranging“, hat Christa Müller einmal über ihren Berufsweg erzählt. „Bis dann Schluss war.“ Es ist sehr hart zuzugeben, dass man sich dem Druck gebeugt hat. Manche halten das nur aus, indem sie den Verzicht heiligsprechen. Was ihn absurd erscheinen lässt, wird beschwiegen: Dass auch Männer gute Erzieher abgeben – was eigentlich tat Müllers Oskar, nachdem er mit dem Sohn auf den Schultern seinen Rücktritt in die Kameras sprach? – dass Scheidungen Alltag sind und am Ende einer Hausfrauenehe oft Armut steht. Und dass eine Gesellschaft, die die Ressourcen ihrer Frauen zu Hause einsperrt, selbst verarmt.
Eine Volkswirtin sollte das eigentlich wissen.
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