Lothar Bisky: „Ich verkörpere nicht mehr die Zukunft“
Der Philosoph und Kulturwissenschaftler hat die Linkspartei geprägt wie neben ihm nur Gysi und Lafontaine. Jetzt tritt Lothar Bisky ab. Ein Porträt.
Es tue ihm, sagt Gregor Gysi, „fast ein bisschen weh.“ Lothar Bisky, sein langjähriger Mitstreiter an der Spitze der Linken, tritt ab als Fraktionsvorsitzender der Europäischen Linken. Das ist, nach Biskys Rückzug aus der Parteiführung vor zwei Jahren, ein weiterer Einschnitt. „Es gibt dafür gar keinen politischen Grund“, versichert Gysi, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion. „Richtig ans Herz gewachsen“ sei ihm Bisky: „Unsere Partei hat ihm wirklich sehr sehr viel zu verdanken.“
Bisky ist 70, es gibt unter den Genossen ein gewisses Verständnis, dass er die Nase voll hat von einer Partei, die Scharmützel zum Programm gemacht hat. Auch in der Brüsseler Fraktion gab es davon jede Menge. Zuletzt gab es Ärger, weil einige deutsche Linken-Europaabgeordnete den Sozialdemokraten Martin Schulz nicht mitwählen wollten zum Parlamentspräsidenten. Bisky war damals krank, aber für ihn wäre es sonst eine Selbstverständlichkeit gewesen. Anders als die meisten seiner Fraktionskollegen ist er der Auffassung, dass die Linksfraktion stärker mit den Sozialdemokraten und den Grünen im EU-Parlament kooperieren müsse.
Der Philosoph und Kulturwissenschaftler Bisky war Chef der Linken beziehungsweise ihrer Vorgängerpartei PDS von 1993 bis 2000 sowie von 2003 bis 2010, er hat die Partei geprägt wie vor, neben und nach ihm nur Gysi und Oskar Lafontaine. Er sei nun in einem Lebensalter, „in dem ich nicht mehr die Zukunft verkörpere“, sagte er zur Begründung des Rückzugs. Zunächst will er einfacher Abgeordneter bleiben. Das passt zu seiner Forderung aus dem vergangenen Sommer, wonach endlich junge Leute das Ruder in der Partei übernehmen sollten, damit nicht die „alten Säcke“ ein „Recyclingprogramm bis zur Peinlichkeit“ treiben. Bestimmt kommt es Bisky merkwürdig vor, dass der Ex-Vorsitzende Lafontaine gerade sein Comeback in der Bundespolitik vorbereitet. Lafontaine ist nur zwei Jahre jünger als er. Für seine eigene Nachfolge in Brüssel schlug Bisky Gabi Zimmer vor. Sie ist 56 und hatte ihn 2000 als PDS-Chefin beerbt.
Genossen meinen, Bisky sei „ein bisschen müde“ geworden. Das trifft es. Der sächsische Bundestagsabgeordnete Michael Leutert twitterte: „Misch Dich bitte weiter ein! Einen wie Dich hört man auch ohne laute Töne.“ Ein anderer sagt, Bisky werde als Moderator und Integrator auch künftig gebraucht. Und ohne Verantwortung „wieder quicklebendig“ sein. Ob das so kommen wird, muss sich erweisen.