Frankreich: Houellebecqs Islam-Provokation wirkt
Frankreich streitet über Michel Houellebecqs neuen Roman, der am Mittwoch erscheint. Darin entwirft der Autor ein Bild von Frankreich im Jahr 2022: Das Land ist der Scharia unterworfen.
Man schreibt das Jahr 2022. Die Franzosen wählen einen neuen Präsidenten. Um der Chefin der rechtsextremen Nationalen Front, Marine Le Pen, den Weg in den Elysée-Palast zu versperren, schließen sich die traditionellen rechten und linken politischen Parteien zu einer „republikanischen Front“ zusammen und unterstützen in der zweiten Abstimmungsrunde den Kandidaten einer muslimischen Partei mit dem Namen „Fraternité Musulmane“ (Muslimische Brüderlichkeit). Deren Anführer Mohammed Ben Abbès wird tatsächlich zum Präsidenten Frankreichs gewählt.
In Houellebecqs Roman unterwirft ein muslimischer Präsident das Land der Scharia
Als Absolvent zweier Eliteschulen gilt der charismatische neue Amtsinhaber wie seine Vorgänger als kultiviert und tolerant. Zum Premierminister beruft er den Zentrumspolitiker François Bayrou. Doch dann krempelt er, mit der stummen Zustimmung der Eliten, Politik und Gesellschaft der laizistischen Republik um. Frauen werden aus öffentlichen Ämtern entfernt. Die Scharia wird eingeführt, die Vielweiberei erlaubt. Hochschullehrer müssen zum Islam konvertieren. An der Fassade der Sorbonne werden Halbmond und Stern angebracht.
Michel Houellebecq, enfant terrible des französischen Literaturbetriebs und preisgekrönter Autor von umstrittenen Bestsellern wie „Elementarteilchen“ oder „Die Möglichkeit einer Insel“, hat sich dieses Schreckensszenario für seinen neuen Roman „Soumission“ („Unterwerfung“) ausgedacht. Noch bevor das Werk am heutigen Mittwoch vom Verlag Flammarion mit einer Startauflage von 150 000 Exemplaren ausgeliefert wird – eine deutsche Ausgabe soll am 16. Januar folgen –, hat es erregte Debatten ausgelöst.
Der Islam sei die "die dämlichste Religion", sagte der Autor 2011
Als literarisch verbrämte Provokation zur Ausgrenzung von Muslimen wird es kritisiert. Dagegen verwahrte sich Houellebecq im Interview mit der amerikanischen Literaturzeitschrift „Paris Review“. Aus gutem Grund. 2011 hatte er den Islam als „die dämlichste Religion“ bezeichnet und sich damit eine Klage der Liga für Menschenrechte wegen Verhetzung eingehandelt, die dann aber vor Gericht scheiterte. Den Koran, den er damals als „ekelerregend“ schmähte, findet er heute „besser“, als er dachte, nachdem er ihn jetzt gelesen habe. Gleichwohl räumt er als „Tatsache“ ein, dass er mit Ängsten spielt. Nur um welche Ängste es ihm geht, die vor den Rechtsextremen oder die vor den Muslimen, sagt er nicht: „Das alles bleibt im Schatten.“
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