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Vier Schüler malen zusammen den Schriftzug Pisa an eine Tafel.
© dpa

Blick hinter Zahlen der neuen Pisa-Studie: Homogene „Bildungsrepublik Deutschland“ ist nicht in Sicht

Nach dem Pisa-Schock 2000 haben sich Deutschlands Schulen auf den Weg gemacht. Die am Dienstag veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass die Richtung stimmt. Dennoch: Viele der Reformen erreichen noch lange nicht alle Schüler.

Deutschlands Schulen sind nicht nur schlapp im Unterrichten. Sie gehören auch zu den ungerechtesten der Welt. Das war die Nachricht, mit der Pisa 2000 das Land schockierte. Das Vertrauen ins Schulsystem war zutiefst erschüttert.

Deutschland hat sich auf die Socken gemacht. Heute, ein Jahrzehnt später, bringt Pisa gute Botschaften, genau, wie Politiker es damals versprochen hatten. Zwar eilen die asiatischen Länder weit voraus – doch mit ihren Paukschulen und autoritären Tiger-Moms taugen sie schlecht als Vorbilder. Deutschland gehört in Mathe und den Naturwissenschaften zur westlichen Spitzengruppe, im Lesen liegt es erstmals deutlich über dem OECD-Schnitt. Der Hauptgrund: Es ist gelungen, die „Risikogruppe“ der schwächsten Schüler weiter zu schrumpfen.

Nationale Durchschnittswerte trügen das Bild

Die deutsche Schule ist dank Pisa besser und gerechter geworden. Pisa und die nationalen Schulvergleiche haben auch mit populären Irrtümern aufgeräumt. Schüler aus der Bildungsferne können sehr wohl mehr erreichen. Anders als geargwöhnt haben die Bildungsstandards die Schulen auch nicht in Lernfabriken verwandelt; die meisten Schüler sagen, dass sie sich an ihrer Schule wohlfühlen. Auch das Gymnasium kann mehr, als manche ihm zutrauen. Trotz des Schülerzustroms aus nicht akademischen Elternhäusern ist das Niveau nicht gesunken.

Ein Grund, bei den Anstrengungen nachzulassen, sind die neuen Pisa-Ergebnisse aber keinesfalls. Die schönen nationalen Durchschnittswerte verstellen den Blick darauf, dass eine homogene „Bildungsrepublik Deutschland“ in weiter Ferne liegt. Die Niveaus zwischen den Bundesländern klaffen dramatisch auseinander, wie vor wenigen Wochen aus dem nationalen Vergleich hervorging.

Vieles hängt vom Bundesland oder einer bestimmten Schule ab

Eltern, Schüler und Lehrer erleben die Schulreformen darum zu Recht als Patchwork. Vieles hängt vom Bundesland, von einer bestimmten Schule oder von bestimmten Lehrern ab. Auch in einem Brennpunkt lässt sich gut lernen, wenn es dort wie in Berlin eine Erika-Mann- Schule oder einen Rütli-Campus gibt. Wer als Vorschüler Sprachdefizite hat, wird hoffentlich nicht in Bayern getestet – dort wird mit dem schlechtesten der 22 deutschen Sprachtests gearbeitet, wie gerade eine Studie zeigte. Spitzenschüler am Gymnasium können durchaus auf Förderung hoffen: wenn sie auf eine Lehrkraft treffen, die Binnendifferenzierung beherrscht. Die meisten Lehrer am Gymnasium orientieren sich aber noch immer an der Mitte, wie die neue Studie zeigt.

Bei der Lehrerbildung gönnt Berlin sich eine Pause

Um verlässlich zu werden, müssen die Schulen in der Fläche und auf allen Ebenen zulegen. Eine bedeutende Rolle wird dabei die Ausbildung der Lehrer spielen. Hier gönnt Berlin sich aber erst mal eine Pause. Die Koalition hat die Reform des Lehrerstudiums gerade um ein Jahr verschoben. Die CDU besteht darauf, dass angehende Sekundarschullehrer zwei Jahre lang in einem eigenen Studiengang mehr Pädagogik und weniger Fachwissenschaften belegen. Die unterschiedliche Schülerklientel verlange das, heißt es.

Das ist allerdings das Gegenteil von dem, was Pisa-Forscher festgestellt haben: Auch Schüler mit Haupt- und Realschulniveau lernen am meisten von Lehrern, die ihr Fach sehr gut beherrschen. Aber die CDU hat Angst vor dem „Einheitslehrer“, der „Einheitsschule“ und dem Ende des Gymnasiums. Solche Sorgen muss sich um das Gymnasium aber keiner machen. Seine Erfolge und seine Beliebtheit schützen es so gut wie seine dicken wilhelminischen Mauern vor der Abwicklung.

Anja Kühne

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