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Bei den TTIP-Verhandlungen wird auch über die Finanzmarktregulierung gesprochen.
© dpa

Die SPD und TTIP: Historisch verwickelt

Sigmar Gabriel und das Freihandelsabkommen TTIP – nicht auszudenken, wenn die SPD sich verweigert. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Da hat er aber mal ganz unbestreitbar recht, der Sigmar Gabriel. Es braucht in der SPD „historische Geduld“, ehe die sich eine Meinung gebildet hat. Historisch, weil es bei der Partei immer so ist, historisch aber auch wegen der Länge der Dauer. In diesem aktuellen Fall geht es um das – vor allem in Deutschland! – höchst umstrittene Freihandelsabkommen TTIP mit den USA. Umstritten, weil es um Verbrauchersicherheit und Standards geht, die hierzulande sehr hoch gehalten werden; übrigens besonders in der eigenen Anschauung. Anderen, nicht zuletzt den USA, wird traditionell weniger zugetraut. Und in Zeiten von NSA und anderen Misshelligkeiten wird das Misstrauen jetzt auch geradezu historisch.

Er braucht Zeit - und Vertrauen

Hier ist Gabriel auch unbestreitbar in einer ganz schwierigen Rolle. Einerseits als Vorsitzender einer „Programmpartei“, selbstbewusst, immer diskutierend, deshalb schwierig zu führen. Andererseits als Wirtschaftsminister für den Exportweltmeister, der noch dazu der Moderne zugewandt sein muss, um ständig neue Erwerbsfelder zu erschließen. In diesem Punkt ist die SPD auch wieder historisch skeptisch und will stets mühevoll überzeugt werden. Und das muss nun ein Einziger tun – der noch dazu einmal Zeit braucht, zum Zweiten das Vertrauen aller Seiten.

So sieht es aus: Gabriel und die anderen Befürworter von TTIP in der Bundesregierung setzen offenbar darauf, dass die Gegenkräfte erlahmen. Bis auf die harten Aktivisten jedenfalls, die bis zum Letzten durchhalten. Das ist die eine Zeitfrage. Die andere, dass der Vertrag der Europäer mit den USA nun doch bald mal abgeschlossen werden muss, weil sonst die Washingtoner Regierung andernfalls irgendwann Abstand davon nehmen könnte.

Und jetzt wird es enorm tricky. Zeit schinden, nennen wir es so, die Gegner ermüden, das ist bereits anstrengend genug. Dazu kommt, dass der SPD-Vorsitzende es aber schaffen muss, seiner Partei trotzdem das Gefühl zu vermitteln, sie könne ihm vertrauen. Vertrauen darauf, dass es die internationale Schiedsstelle geben wird, die er nach Gesprächen mit der sozialdemokratischen europäischen Parteienfamilie versprochen hat. Denn der Vertrag, das ist klar, muss vorher abgeschlossen werden, die international besetzte Schiedsstelle kann erst danach zustande kommen. Und Vertrauen darauf, dass Gabriel das bei den USA erreichen wird, die das eigentlich nicht wollen – und denen die SPD eigentlich auch nicht vertraut. Also noch einmal: Die Partei soll Gabriel vertrauen, soll den USA vertrauen, und Gabriel muss den USA vertrauen … Historisch verwickelt.

Und das alles, weil Deutschland als eines von drei Ländern in Europa seine Probleme mit TTIP hat. Die anderen beiden sind Österreich und Luxemburg. Alle übrigen 25 EU-Staaten sind dafür. Wenn Deutschland nicht mitmacht, weil Gabriel es nicht schafft, seine SPD zu überzeugen – nicht auszudenken. Das wäre in Zeiten der Globalisierung ein eklatanter Wettbewerbsnachteil. Dann müsste der SPD-Vorsitzende zur Not die Machtfrage stellen – in einer Mitgliederbefragung. Wenn er dann scheiterte, wäre er Historie.

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