„Rommel“ im TV: Historienstadl mit den Massenmördern
Der Mythos des Nationalsozialismus wird in Kino und Fernsehen immer wieder ehrfürchtig neu errichtet, indem man ihn zu entzaubern vorgibt. Das gilt auch für die neue ARD-Verfilmung "Rommel". Unsere Mediengesellschaft ist in einer Wiederholungsschleife gefangen.
Ist es nicht langsam genug? Mächtige Männer in Uniform, die sich über Karten beugen, mit der Last von Krieg und Millionen Toten auf den Schultern, muss man die immer wieder zur Primetime im Fernsehen sehen? Große Lagebesprechung, das macht Quote, verspricht es doch die Teilhabe am innersten Zirkel der Macht. Männer-Filme, Helden-Filme, Chef-Filme sind das – Gruselfaktor eingeschlossen.
Ob das Ereignis nun „Rommel“ heißt oder „Der Untergang“, „Das Goebbels-Experiment“ oder „Speer und Er“, egal ob Doku, Faction oder Fiktion: Ist der aufklärerisch-heilige Ernst, mit dem seit Jahren an den Nazimythen gekratzt wird, nicht immer auch Kasperletheater, Historienstadl mit den Massenmördern als ewigen Helden? Diese bad guys sind nach wie vor sexy, zumal sie von grundsympathischen Schauspielern dargestellt werden, von Sebastian Koch und Hanns Zischler, Moritz Bleibtreu und Herbert Knaup – und nun Ulrich Tukur als „Wüstenfuchs“.
Hitler sells, das kollektive Unbehagen angesichts des zigsten, mit Reichsadler und Eisernem Kreuz ausstaffierten „Spiegel“-Coverboys wächst nicht gerade. Die Liebe zu Militaria ist auch im 21. Jahrhundert ungebrochen, sie hat sich nur den Deckmantel der Aufklärung umgehängt. Natürlich hegen Filmemacher und TV-Redakteure die besten Absichten, wollen Geschichtsbilder befragen, zerrissene Figuren zeigen, das Monster als Mensch. Der Deutschen Trauma, der Nationalsozialismus, erfordert unermüdliche Arbeit am Mythos. Dabei errichtet man ihn immer wieder ehrfürchtig neu, indem man ihn zu entzaubern vorgibt. Bisher hat das nur Quentin Tarantino in seinen „Inglourious Basterds“ geschafft. Der traute sich, Hitler und seine widerliche Bande im Kino abzufackeln, fertig.
Das letzte Mal, dass ein TV-Film das Bewusstsein der Nation nachhaltig verändert hat, war 1979. Mehr als 20 Millionen Deutsche sahen die vierteilige US-Produktion „Holocaust“. Gerade die triviale Art, mit der von einer jüdischen und einer Nazi-Familie erzählt wurde, brachte die Schweigemauer zu Fall. Zum ersten Mal wurde nicht nur in öffentlichen Vergangenheitsbewältigungsritualen, sondern in den Wohnzimmern über Schuld und Mitschuld gesprochen. Worum sich viele 68er bemüht hatten, da fand es statt.
Seitdem ist unsere Mediengesellschaft in einer Wiederholungsschleife gefangen. Akribisch wird auf wahrheitsgetreue Details bis zum letzten Spinatsuppenteller geachtet, als garantiere das Wahrhaftigkeit. Die großen TV-Events gelten entweder dem Leid der Deutschen im Krieg („Die Flucht“, „Dresden“) oder den komplizierten Charakteren von Hitlers Befehlsempfängern, den Nazi-Tätern als Hitler-Opfer. Rommel bewahrt seine Ehre, geht tapfer in den Tod: auch das eine Entlastungsstrategie, noch ein Schuldenschnitt für die Deutschen. Wie war das noch mit Benignis „Das Leben ist schön“? Die Versuche, den Raum der Fantasie für die Opfer zu öffnen, überlässt man anderen. Zum Filmstoff taugt höchstens der großbürgerlich- adelige Widerstand à la „Stauffenberg“. Bedeutend müssen sie schon sein, die Männer, die von der Fahne gehen.
Dem „Rommel“-Film ist das Hannah-Arendt-Zitat vorangestellt, dass man auch für seinen Gehorsam verantwortlich sei. Arendts heftig umstrittene Erkenntnis im Eichmann-Prozess: Der SS-Mann, der maßgeblich für die Deportation der Juden verantwortlich war, ist kein Monstrum, keine zerrissene Figur, sondern ein Niemand, ein braver Beamter. Es kommt darauf an, sich diesem Schrecken zu stellen, dem Anblick des banalen Nazis.