Jeremiah Wright: "Gott beurteilt, er verdammt nicht“
Wegen der scharfen Kritik an der US-Regierung ging Barack Obama auf Distanz zu seinem Pfarrer - doch der verschärft den Streit weiter.
Seine zornigen Predigten haben dem demokratischen Präsidentschaftsbewerber Barack Obama viel Ungemach eingetragen. Jeremiah Wright war rund 20 Jahre sein Pastor in Chicago. „God damn America!“, hat er über die Regierungspolitik und die Benachteiligung der Schwarzen gepredigt. „Americas chicken are coming home to roost“, sagte er nach dem Terrorangriff auf New York 2001 – sinngemäß: Die USA sind selbst schuld, dass sie zum Ziel wurden. Über Aids behauptete Wright, die Seuche sei in US-Regierungslabors erfunden worden, um die Schwarzen zu dezimieren.
Als TV-Sender Mitte März Videos mit solchen Predigtausschnitten ausstrahlten, ging Obama auf Distanz. In einer landesweit beachteten Rede in Philadelphia gelang ihm der Spagat, Wrights schärfste Äußerungen zu verurteilen, ohne sich von dem Menschen Wright loszusagen. Schließlich habe dieser schwarze Pastor ihn zum Christentum gebracht, seine Ehe getraut und seine Kinder getauft.
Nach sechs Wochen Schweigen tritt Wright nun öffentlich auf. Er nimmt nichts zurück, er erklärt: Obama bewege sich in der Welt der Politik, er selbst in der Welt des Glaubens. Dieses „God damn America“ bedeute nur: Gott beurteile menschliches Handeln als gut oder schlecht. Er verdamme nicht.
Im National Press Club zitiert Wright ausgiebig aus der Bibel. Er erntet Beifall und Gelächter mit seinen humorigen Ausführungen. Schwarze Journalisten bilden einen Großteil des Publikums. Die Kontroverse ist vorüber, könnte ein wohlmeinender Beobachter denken. Wright ist als Opfer der Rassentrennung aufgewachsen, deshalb predigte er schwarze Befreiungstheologie. Jetzt ist er 66 Jahre und pensioniert. Obama ist eine Generation jünger. In seiner Jugend wurden Afroamerikaner gezielt gefördert – auch um Unrecht zu korrigieren. So kam Obama an die Eliteuniversität Harvard.
Die US-Medien jedoch deuten Wrights neue Auftritte nicht als Mäßigung, sondern als Verschärfung des Streits. Von einem Buch ist die Rede, das zum Wahltag am 4. November erscheine, Wright wolle die Kontroverse versilbern. Hillary Clintons Sieg bei der Vorwahl in Pennsylvania vor einer Woche beeinflusst die Sicht. Obama war Favorit, nun ist er angeschlagen. Das Rennen ist noch einmal spannend geworden, die US-Medien sind jetzt an versöhnlichen Botschaften nicht so interessiert. Obama reagiert prompt: „Wright spricht nicht für mich.“