Dr. Wewetzer: Gesunder Gipfel
Eine sehr gute Nachricht: sexuelle Aktivität kann krebsvorbeugend wirken.
Ein gesunder Lebensstil soll Krebs vorbeugen. Das heißt: viel Bewegung, frisches Gemüse und Obst, dagegen wenig tierische Fette, Fleisch und Alkohol. Klingt nicht für jedermann verlockend. Aber es geht auch anders. Wie wäre es mit sexuellen Höhepunkten, um Tumore zu verhüten? Häufige Orgasmen können Männer womöglich davor bewahren, an Prostatakrebs zu erkranken. Das ergab eine Untersuchung, die beim Kongress der amerikanischen Urologen in New Orleans vorgestellt wurde. Sie war, wenig überraschend, einer der Höhepunkte der Tagung.
In mancher Hinsicht gilt sexuelle Aktivität eher als riskant. Vor allem, weil beim ungeschützten Geschlechtsverkehr Krankheits-(und mitunter Krebs-)erreger übertragen werden können, wie Aids- oder Papillomaviren. Der kastaniengroßen Vorsteherdrüse, die zwischen Blase und Penis liegt, bekommt Sex dagegen offenbar gut. Das ist von Bedeutung, weil Prostatakrebs das häufigste Tumorleiden des Mannes und Vorbeugung schwierig ist.
Bisherige Studien zum Thema Prostatakrebs und Sex kamen zu durchwachsenen Ergebnissen. Einige fanden einen Schutzeffekt, einige nicht. Die neue Untersuchung ist von hoher wissenschaftlicher Qualität und hat daher besonderes Gewicht. Sie gehört mit fast 32 000 männlichen Teilnehmern aus dem US-Gesundheitswesen, überwiegend Ärzten und Tierärzten, zu einer größeren Langzeitstudie. Jeder Teilnehmer wurde 1992, zu Beginn der Untersuchung, gefragt, wie oft er im Monat einen Samenerguss hatte.
Dabei spielte es keine Rolle, ob dieser durch Geschlechtsverkehr, Selbstbefriedigung oder nächtliche unwillkürliche Ejakulation („feuchter Traum“) zustande gekommen war. Entscheidend war nur die Häufigkeit, und zwar im Jahr vor Studienbeginn (1991) sowie im dritten und fünften Lebensjahrzehnt.
Die Wissenschaftler verglichen die Gruppe mit häufigen Höhepunkten (mindestens 21 im Monat) mit einer, die seltener das Vergnügen hatte (vier bis sieben Mal). Das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken, war in der ersten Gruppe um 19 bis 33 Prozent niedriger. Je öfter Ejakulationen, umso geringer die Gefahr.
Stellt sich die Frage, warum Samenergüsse vor Krebs schützen sollten. Dazu gibt es bislang nur Annahmen. Als Drüse steuert die Prostata ein Sekret zur Samenflüssigkeit bei. Kommt es häufiger zu Ejakulationen, können sich im Sekret weniger schädliche Substanzen anreichern. Der Erguss „reinigt“ die Drüse – womöglich auch von kristallinen Ablagerungen, die mit Prostatakrebs in Verbindung gebracht wurden. Und schließlich kann gestautes Sekret die Überwachung der Drüse durch das Immunsystem schwächen und so die Krebsgefahr erhöhen.
Nicht vergessen werden darf, dass die Studie aus methodischen Gründen keinen letzten Beweis darstellt. Sie liefert lediglich plausible Hinweise auf eine mögliche Ursache. Aber das sollte Ihnen weder Lust noch Laune rauben.
Unser Kolumnist leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels und schreibt an dieser Stelle an jedem ersten Sonntag im Monat. Haben Sie eine Frage zu seiner guten Nachricht?
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