Weltbevölkerung: Geburtenkontrolle ist nötig
Aktuell gehen die Experten von 9,6 Milliarden Menschen im Jahr 2050 aus. Geburtenkontrolle ist nötig, um weltweit zu einem moderaten Bevölkerungswachstum zu kommen. Aber Zwang ist hier das falsche Mittel.
Alle werden satt. Das haben am Wochenende 69 Agrarminister auf der Grünen Woche in Berlin beschlossen. Die 840 Millionen, die derzeit hungern, meinten sie aber nicht, es ging ihnen um die Weltbevölkerung im Jahr 2050. Abgesehen davon, dass es nicht schwerfällt, ein fernes Ziel zu beschließen, das andere erreichen müssen – das Versprechen hat etwas Kühnes. Denn die Fläche für Landwirtschaft wird nicht nennenswert zunehmen. Die Zahl der Menschen aber schon. Und genau das ist das Problem vieler Zukunftsprojekte, von der umweltverträglichen Landwirtschaft – so das Versprechen – über die Vision einer klimafreundlichen Energieversorgung bis zu einem vernünftigen Lebensstandard für viele.
Es wird über Ertragsprognosen diskutiert und über Emissionspfade. Ein wichtiger Faktor wird aber oft ausgelassen, die Bevölkerungsentwicklung. Mehrfach haben die Vereinten Nationen in den vergangenen Jahren ihre Prognosen nach oben korrigiert. Aktuell gehen die Experten von 9,6 Milliarden Menschen im Jahr 2050 aus (heute sind es 7,2 Milliarden). Die Prognose von elf Milliarden zum Jahr 2100 sollte man besser ignorieren. Die Zahl gaukelt eine Sicherheit vor, die es nicht gibt.
Unweigerlich führen solche Daten – am besten dargestellt in Grafiken mit fetten Linien, die sich bedrohlich nach oben recken – dazu, dass die Namen von Thomas Robert Malthus und Paul Ehrlich fallen. Sie prophezeiten, dass die Erde nur eine gewisse Anzahl an Menschen tragen könne und katastrophale Zustände drohten, wenn die Bevölkerungsexplosion nicht verhindert werde. Es waren Übertreibungen, wie sich zeigte. Die von Ehrlich in „The Population Bomb“ von 1968 vorhergesagten Hungersnöte gab es vielfach nicht. Die Frage lautet nicht, wie viele Menschen auf der Erde leben können (eine ganze Menge), sondern eher, wie sie leben.
Die Bevölkerungsentwicklung spielt dabei eine wichtige Rolle. Es ist kein Zufall, dass in Ländern mit überwiegend armer Bevölkerung die höchsten Fruchtbarkeitsraten festgestellt werden. Das trifft vor allem auf die Staaten südlich der Sahara zu. Dort bringen Frauen nach wie vor besonders viele Kinder zur Welt, was auch maßgeblich zur Korrektur der UN-Prognosen beigetragen hat.
Es steht völlig außer Zweifel, dass die Geburt und das Miterleben des Aufwachsens eines Kindes zu den großartigsten Erfahrungen gehören, die Menschen machen können. Doch allzu oft sind es auch wirtschaftliche oder gesellschaftliche Zwänge, die Frauen veranlassen, viele Kinder zu bekommen. Wo die Chancen auf Bildung und Wohlstand steigen, sinkt vielfach die Geburtenrate.
Eine andere Frage ist, wie Menschen bei der Familienplanung unterstützt werden können. Erfahrungen aus Ländern wie dem Iran zeigen: Wird flächendeckend mit jungen Frauen und Männern darüber gesprochen und werden ihnen Verhütungsmittel zur Verfügung gestellt, geht die Zahl der Kinder pro Familie zurück. Und zwar aus freien Stücken.
Repressive Ansätze wie die chinesische Ein-Kind-Politik sind der falsche Weg. Und er bringt weniger als gedacht. Nicht 400 Millionen Geburten wurden dadurch verhindert, wie die Behörden behaupten, sondern höchstens 100 Millionen, schätzt das Institut für Bevölkerungsforschung der Universität Peking. Der überwiegende Teil sei dem zunehmenden Wohlstand geschuldet, gemäß der Formel: wirtschaftlicher Aufschwung, weniger Kinder.
Mittlerweile hat China hart mit den Folgen seiner rabiaten Familienpolitik zu kämpfen. Den vielen Alten stehen nur wenige Junge gegenüber, die gezielte Abtreibung von Mädchen hat zu einem Jungenüberschuss von 18 Prozent geführt, was nach Ansicht von Sozialwissenschaftlern wiederum zu steigender Kriminalität führt. Sehr langsam beginnt ein Umdenken, Ende Dezember 2013 hat Peking formell seine Ein-Kind-Politik etwas gelockert.
Einmal mehr zeigt sich, dass Zwang ein schlechtes Mittel ist, um Ziele zu erreichen. Mit einer klugen Argumentation lassen sich Menschen eher überzeugen. Kommt dann noch die Perspektive auf ein auskömmliches Leben hinzu, stehen die Chancen gut, weltweit zu einem moderaten Bevölkerungswachstum zu kommen. Eines, mit dem der wissenschaftlich-technische Fortschritt mithalten kann. Damit eines Tages tatsächlich alle satt werden, und zwar nicht nur an Brot.
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