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Die Betreuung hört nach der Geburt nicht auf.
© dpa

Debatte um freie Hebammen: Geburt und Gefahr

Die Haftpflichtprämien für freie Hebammen steigen – dafür gibt es gute Gründe. Soll der Staat eingreifen, weil sich einer der ältesten Berufsstände der Menschheitsgeschichte bedroht fühlt?

Nein, das ist nicht bloß das übliche Pokern um bessere Bezahlung. Wenn die Hebammen mobil machen, und das tun sie dieser Tage auf den Straßen und im Internet, dann geht es auf Transparenten und Webseiten um viel Dramatischeres. Das Ende eines der ältesten Berufsstände der Menschheitsgeschichte. Das Kollabieren flächendeckender Geburtshilfe. Die Beschneidung zentraler Frauenrechte. Um „Berufsverbot“. Und manche ziehen gar Parallelen zum dunklen Zeitalter der Hexenverfolgung, wo sich naturkundigen Helferinnen kaum noch ihres Lebens sicher sein konnten.

Kaum zu glauben, dass die Probleme einer derart geringen Zahl von Berufstätigen solche Wellen schlagen können. Für die freiberuflich tätigen Hebammen in der Geburtshilfe, 3500 an der Zahl, sind die Haftpflichtprämien explodiert. Grund dafür sind die horrenden Summen, die inzwischen vor Gerichten für Geburtsschäden erstritten werden. Die ohnehin schlecht bezahlten Hebammen können das Geld für diese vorgeschriebene Absicherung kaum noch aufbringen. Und womöglich findet sich für sie bald gar kein Versicherer mehr – einer der letzten hat bereits seinen Ausstieg angekündigt.

Das alles ist heftig für die Betroffenen. Jedoch hat sich ein Großteil der Freiberuflerinnen längst auf die Vor- und Nachsorge spezialisiert – muss die hohen Prämien also gar nicht bezahlen. Hausgeburten sind heutzutage die Ausnahme. Die meisten Frauen, die ein Kind erwarten, hätten’s zwar gerne natürlich, gehen zur Geburt dann aber doch lieber ins Krankenhaus. Sie tun das oft aus Sicherheitsgründen. Und so könnte man vielleicht ja auch argumentieren: Wenn die Sache mit der Hausgeburt derart gefährlich ist, dass sich dafür kaum noch ein Versicherer findet, wieso dann zu jedem Preis daran festhalten?

Tatsächlich hat sich die Zahl der Hebammenfehler nicht erhöht. Die Schadensersatzsummen sind deshalb so gestiegen, weil die Opfer dank des medizinischen Fortschritts inzwischen mit ihrer Behinderung deutlich länger leben. Insofern ist es richtig, die Krankenkassen auch künftig zu verpflichten, die Prämiensteigerungen übers Hebammenhonorar auszugleichen. Doch den Verbänden reicht das nicht. Sie argumentieren, dass Geburtshelferinnen mit nur wenigen Fällen dabei den Kürzeren ziehen, und dringen auf eine Haftungsobergrenze. Bei höheren Schadensummen soll der Staat einspringen. Oder der Krankenversicherer. Oder die Rentenkasse.

Spätestens hier aber stellt sich die Gerechtigkeitsfrage. Mit welchem Recht kann man Chirurgen oder Wirtschaftsanwälten, die ebenfalls hohe Haftpflichtprämien zahlen, dann die Unterstützung verweigern? Sicher, die tun sich leichter, weil sie mehr verdienen und größere Risikogruppen bilden. Doch wo soll man die Grenze ziehen? Und ist es wirklich sinnvoll, von Staats wegen für Hebammen zu bürgen, die im Jahr auf 20 Geburten kommen? Nichts gegen individuelle Erfahrung und Kunstfertigkeit. Doch in der Krankenhauspolitik ist die Fallzahl auch ein Qualitätsindikator.

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