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Mit militärischen und sonstigen Ehren. Als er noch Kanzler war, empfing Gerhard Schröder den türkischen Ministerpräsidenten mit den für Staatsgäste angemessenen Respektbezeugungen. Zu der nun geplanten Laudatio verpflichtet ihn kein Protokoll.
© p-a

Kontrapunkt: Ein lupenreiner Laudator

Gerhard Schröder hält eine Ehrenrede auf Erdogan. Es ist ja das eine, von Staatsmann zu Staatsmann zum Wohl der Wirtschaft vernünftig miteinander umzugehen. Aber wo genau liegt der Sinn des demonstrativen Schulterklopfens?

Horst Köhler soll ihn bekommen, Königin Silvia auch, ebenso Christiane Hörbiger, Peter Kloeppel, Wolfgang Joop, also im Grunde das gesamte deutsche Superspitzenpersonal, sofern es nicht schnell genug auf den Bäumen war. Sie alle, und ein paar mehr, werden am Sonnabend mit dem berühmten „Steiger Award“ ausgezeichnet, und das nicht etwa irgendwo, also in Hannover oder Berlin, nein, das muss schon in Bochum sein.

Für Eremiten, Migranten und Ignoranten, die sich erst jetzt eingeschaltet haben in die Dauerwerbesendung „Deutschland aktuell“, ein paar sachdienliche Hinweise: Bochum ist die Stadt, aus der Herbert Grönemeyer kommt und über die er gesungen hat: Du bist keine Schönheit, vor Arbeit ganz grau, du hast ’n Pulsschlag aus Stahl, man hört ihn laut in der Nacht, dein Grubengold, hat uns wieder hochgeholt, solche Sachen. Vom Grubengold wiederum leitet sich der Name des Preises ab, der hier seit ein paar Jahren in allen denkbaren Kategorien von einer „Medien Projekte GmbH“ vergeben wird: den geradlinigen Bergmann nennt man auch Steiger.

Wie die Firma zu ihren Preisträgern kommt, bleibt geheim, und für die beschwerliche Anreise nach „tief im Westen, wo die Sonne verstaubt“ (Grönemeyer) gibt es kein Geld, sondern ein Stückchen Kohle im Glas. Alles in allem also eine Veranstaltung entweder zum Teilnehmen oder zum Vergessen, so, wie in Berlin die Beehrungsfirma „Quadriga“ vergessen ist, weil hier jemand auf die Idee kam, nach Karl-Theodor zu Guttenberg auch Wladimir Putin dafür zu ehren, dass sein „Denken und Handeln auf Werte baut“.

Aus ähnlich nichtssagenden Gründen soll nun in Bochum auch der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sein Stückchen Koks bekommen, aber weil das dem Veranstalter offenbar nicht genug war an planbarem Krawall, buchte er den Grenzdespotenfreund Gerhard Schröder als lupenreinen Laudator dazu. Und tatsächlich, die Rechnung geht auf: Abscheu und Empörung bei Armeniern, Aleviten, Kurden und Ralph Giordano. Die „Halterner Zeitung“ meldet ganz aufgeregt: „Bochum könnte am Samstag eine der größten Demonstrationen der Nachkriegsgeschichte erleben.“

Warum Schröder die Rolle als Provokateur genießt

Damit möchte man eigentlich zum Wetter übergehen (es wird schön am Wochenende, sogar in Bochum), wenn dieser Gerhard Schröder nicht ausgerechnet Bundeskanzler gewesen wäre. Denn es stellt sich schon die Frage, was diese demonstrative Schulterklopfernummer für Menschenrechtsverletzer eigentlich soll. Es ist ja das eine, von Staatsmann zu Staatsmann im Sinne der Völkerverständigung und zum Wohl der Wirtschaft vernünftig miteinander umzugehen; etwas anderes aber ist es, Leute zu lobpreisen, die eben genau das nicht sind, wofür sie geehrt werden: offen und tolerant. Meint Schröder etwa, ein Putin oder ein Erdogan ließen sich, peinlich berührt von falscher Ehre, dazu bekehren, rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien zu wahren?

Nein, naiv ist er ja nicht. So bleibt als Erklärung nur eines, wenn man ein zweites, das Honorar, mal außer Acht lassen will: Schröder genießt die Rolle als unantastbarer Provokateur, zumal weil ihm all jene lächerlich sind, die sich, bar jeder eigenen Erfahrung, eine bessere Welt herbeiempören, dies aber vor allem des besseren Gewissens wegen. Weicheier allesamt, Maulhelden nur auf sicherem Boden, blinde Schwarz- oder-weiß-, Gut-oder-böse-Durchblicker, die nicht erkennen wollen, dass fast alles überall grau ist. Darüber ließe sich sogar reden.

Aber was macht Schröder jetzt, da sich der Veranstalter des Preises als Oberweichei erweist? Denn der hat, dann doch erschrocken über die Massivität der Proteste, zurückschürfend erklärt: Erdogan werde nur stellvertretend geehrt für 50 Jahre deutsch-türkische Freundschaft. Wenn sie Manns genug sind, Schröder und Erdogan, dann sagen sie besser mal ab.

Lorenz Maroldt

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