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Jörg Kachelmann im Herbst 2012 bei der Präsentation seines Buches "Recht und Gerechtigkeit" auf der Frankfurter Buchmesse.
© p-a

Schlagabtausch mit Kachelmann auf Twitter: "Ein Held war ich nun wirklich nie"

Der ehemalige ARD-Wettermoderator Jörg Kachelmann hat am Wochenende den Autor des Tagesspiegel-Sonntagsessays auf Twitter als "schreibenden Widerling" angegriffen - und musste dann zugeben, dessen Text gar nicht gelesen zu haben.

Ein Essay von Anna Sauerbrey

Es war Martin Heidingsfelder, der Urheber der Plagiatejäger-Seite "Vroni-Plag", der den ehemaligen ARD-Wettermoderator Jörg Kachelmann via Twitter auf das Sonntagsessay im Tagesspiegel aufmerksam machte. Das Essay unseres Gastautors Alexander Görlach, Chefredakteur des Debatten-Magazins "The European", befasst sich mit der Gesellschaftspsychologie von Skandalen und ist ein Auszug aus seinem neuen Buch. Görlach sucht darin nach den Ursachen der besonderen Häme und großen Aufmerksamkeit, die Prominenten entgegenschlägt, die - zu Recht oder zu Unrecht - in Skandale verstrickt werden. Als Beispiele nennt er an einer Stelle im Text Rainer Brüderle, Karl-Theodor zu Guttenberg, Uli Hoeneß, Annette Schavan, Andreas Türck, Christian Wulff, Klaus Zumwinkel - und Jörg Kachelmann.

Auf Twitter brüstete sich am Samstagabend nun Martin Heidingsfelder, am "Sturz" von dreien der Genannten beteiligt gewesen zu sein und bezog Jörg Kachelmann, der auf Twitter sehr aktiv ist, in die Konversation ein. "Da wo Sie @agoerlach einordnet möchte ich Sie nicht sehen lieber Herr @Kachelmann - unsäglicher Artikel", schrieb Heidingsfelder. Darauf antwortete Jörg Kachelmann: "Auf einen schreibenden Widerling mehr oder weniger kommts mir fast gar nicht mehr an #vollpfostenjournalismus."

Dass Alexander Görlach Skandale wie jenen um Jörg Kachelmann tatsächlich kritisiert, hatte dieser offenbar nicht gelesen. Görlach führt das Phänomen der Skandalisierung zurück auf eine Mischung aus Faszination und Neid. Er kommt zu dem Schluss: "An unserem Umgang mit den Prominenten zeigt sich, dass wir als Gesellschaft ein Problem haben. Denn die Prominenten haben kleine Geschwister, vielleicht in jeder Familie." Görlach vergleicht die Prominenten mit antiken Helden, denen einerseits Göttergleichheit zugeschrieben wird, die deshalb aber auch umso tiefer fallen können. Er beklagt, dass die Häme den öffentlichen Diskurs bestimme und dadurch der gesellschaftliche Zusammenhalt abhanden zu kommen drohe. "Möchten Sie vielleicht erst einmal den Text lesen?", antwortete Görlach auf Twitter. Jörg Kachelmann holte das offenbar nach und ruderte wenig später: "Na gut, ich differenziere und nehme Widerling zurück, pardon. Aber dennoch: Held? Und welche Vorzüge? Ich gehöre da nicht rein." Bei ihm seien völlig andere Mechanismen am Werk gewesen als bei Uli Hoeneß, schrieb Kachelmann, zudem sei er es müde, mit Guttenberg in einem Satz genannt zu werden. Auch den Tagesspiegel griff Kachelmann an. Die Zeitung habe ihn "seit jeher" "besonders widerlich" behandelt. Die Konversation endete auf einer versöhnlichen Note: "Entschuldigung angenommen", schrieb Görlach. Und Kachelmann: "Ich schlaf das nächste Mal eine Nacht drüber und lese ganz."

Jörg Kachelmann war im Jahr 2010 der Vergewaltigung beschuldigt und unter großer Medienaufmerksamkeit vor Gericht gestellt worden. Während des Prozesses fanden zahlreiche Details aus seinem Privatleben den Weg in die Öffentlichkeit. Im Mai 2011 wurde er freigesprochen. Seine Tätigkeit als Moderator im deutschen Fernsehen gab Kachelmann während des Prozesses auf, heute unterhält er einen eigenen Youtube-Kanal mit Wetternachrichten. Gegen die Medienberichterstattung über seinen Gerichtsprozess geht Jörg Kachelmann auch weiterhin gerichtlich vor. Wie die Deutsche Presseagentur im Juni berichtete, hat Kachelmann die "Bild", die "Bunte", "Focus" und "Bild.de" auf Schmerzensgeld verklagt. Gemeinsam mit seiner Frau hat er ein Buch geschrieben, dass seine Sicht auf den Prozess darlegt. Seinem Twitter-Account stellt Kachelmann die Beschreibung voran: "Enteignet Springer&Burda! F%*k the ARD und #vollpfostenjournalismus". Sein Account wird von über 23.000 Twitter-Nutzern abonniert. as

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