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Sigrid Leuschner:: "Ein Grund ist die Inhaltsleere in meiner bisherigen Partei, gegen die ich mich nicht mehr durchsetzen konnte"

44 Jahre war Sigrid Leuschner in der SPD. Dann verliert sie gegen Doris Schröder-Köpf - und tritt aus. Ein Porträt

Es klingt verbittert, vielleicht auch ein bisschen höhnisch. „Liebe Genossinnen und Genossen“, lautet die Anrede in dem Abschiedsbrief, mit dem die Landtagsabgeordnete Sigrid Leuschner nach 44 Jahren ihren Austritt aus der SPD erklärt. Am Dienstag präsentierte sich die 61-jährige Vorsitzende der niedersächsischen Verbraucherzentralen als neues Mitglied der Linken.

Ein Paukenschlag wenige Tage vor der Landtagswahl, ein mittleres Erdbeben in der sozialdemokratischen Hochburg Hannover, deren Oberbürgermeister Stephan Weil am Sonntag Ministerpräsident werden will. „Rache war noch nie sympathisch“, poltert der SPD- Spitzenkandidat prompt los, wirft seiner Ex-Genossin ein mangelndes Demokratieverständnis vor.

Die Wut und Enttäuschung bei ihren früheren Mitstreitern hat Leuschner vorausgesehen; sie habe sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht, bekundet sie. Von Rache könne keine Rede sein. Wut und Enttäuschung waren aber wohl auch Motive für ihren Schritt. Vor einem Jahr hatte die Führungsriege der Hannover-SPD ihrem Urgestein plötzlich eine prominente Seiteneinsteigerin vor die Nase gesetzt: Doris Schröder-Köpf. Die Ehefrau von Altkanzler Gerhard Schröder sollte bei der Landtagswahl als Direktkandidatin im eher bürgerlich geprägten Wahlkreis Hannover-Döhren antreten.

Leuschner, die für diesen Wahlkreis seit 19 Jahren im Parlament sitzt und sich dort nicht zuletzt durch ihren Einsatz gegen Neonazis einen Namen gemacht hat, fühlte sich überrumpelt. Man habe sie „ins offene Messer laufen lassen“, beklagte die frühere Gewerkschaftssekretärin. In einem parteiinternen Abstimmungsmarathon der Ortsvereine lag sie zunächst vorn; am Ende setzte sich aber Schröder-Köpf im März knapp durch. Eine altgediente, gradlinige Genossin werde dem Glamourfaktor geopfert, schimpften etliche Sozialdemokraten damals.

Die Neu-Linke begründet ihre Abkehr von der SPD jetzt allerdings vor allem mit deren Kanzlerkandidaten. Fragwürdig finde sie die Auftritte von Peer Steinbrück. Dessen Aussagen über teure Weine und zu niedrige Kanzlergehälter seien „völlig daneben“, verletzten ärmere Menschen. Trotzdem hofft Leuschner auf eine Ablösung der schwarz-gelben Landesregierung – mithilfe der Linken, die sich diebisch über den Zuwachs freuen.

In den neuen Landtag kann Leuschner nicht mehr kommen: Die Kandidatenküren der Parteien sind abgeschlossen.

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