Zivilcourage: Dominik Brunner: Im Schatten des Helden
Die Strafen im Brunner-Prozess sind hoch – abgeschlossen ist der Fall nicht. Dominik Brunner wird mittlerweile mehr am Anspruch anderer gemessen als an seinem Mut.
Es sind hohe Strafen, die das Münchner Landgericht im Fall Brunner verhängte; sie liegen nur wenig unter dem, was die Staatsanwaltschaft beantragt hatte. Dass Dominik Brunner nicht unmittelbar an den Folgen der Schläge und Tritte starb, sondern mittelbar, weil sein krankes Herz kollabierte, auch dass er auf dem Bahnsteig von Solln als Erster zugeschlagen hatte, einem der Angreifer mitten ins Gesicht, und dass beide Angeklagten die Tat gestanden und eine Tötungsabsicht bestritten – es spielte am Ende keine entscheidende Rolle. Neun Jahre und zehn Monate Haft für den einen Täter, sieben Jahre für den anderen, Jugendstrafen zwar, aber wegen Mordes verhängt: Viel mehr geht nicht.
Dennoch lässt das Urteil kaum Genugtuung aufkommen, und unabhängig davon, ob die Verurteilten in Revision gehen, wie ihre Anwälte es ihnen empfehlen, drängt sich eine Erkenntnis auf: Dieser Fall ist noch nicht abgeschlossen.
Zwar sind wohl keine neuen wichtigen Hinweise mehr zum Tathergang zu erwarten; auch haben die Erkenntnisse über Brunners Herzfehler und die spätere Abfolge der Schläge allenfalls das Bild des Geschehens vervollständigen, nicht aber den Mut des Geschäftsmannes infrage stellen können, der sich als Einziger schützend vor attackierte Schüler gestellt hatte. Aber das Bild Brunners als Held, nach dem ein Platz benannt wurde, als ein Märtyrer der Zivilcourage, dem ein Bronzedenkmal gesetzt werden wird, wirft einen Schatten auf sein Handeln, denn es verlangt eine übermenschliche Reinheit, die nichts als Illusion ist. So wird Brunner mehr am Anspruch anderer gemessen als an seinem Mut. Die von der Verteidigung betriebene Relativierung seines Verhaltens zur Relativierung desjenigen der Täter mag juristisch in Ordnung sein; vor dem Hintergrund der Heldenverehrung aber wirkt sie fatal.
Es gibt Dutzende gut gemeinte Ratschläge, wie man sich im Fall des Falles zu verhalten habe, um den immerwährenden und auch nach der Tat von Solln erklungenen Aufrufen zur Zivilcourage gerecht werden zu können. Doch alle Schlaumeierei verbietet sich im Fall des Falles, der immer auch ein besonderer ist, weil die daran beteiligten Menschen, seien sie Opfer, Täter oder Zeugen, mal so reagieren und mal anders. Wer maßt sich an zu sagen, dass es Brunner nach seinem Eingreifen im Zug dann auf dem Bahnsteig doch mal besser hätte gut sein lassen?
Wenigstens hat die bittere Ironie des Schicksals, dass hier ein gutes Herz am Ende zu schwach war, nichts am Schuldspruch geändert. Niemand, so sagte es die Staatsanwältin, niemand hat Anspruch auf ein top-gesundes Opfer. Ebenso hat niemand Anspruch auf einen widerspruchsfreien Helfer. Vielleicht wandelte sich Brunners Mut zu Übermut, vielleicht irrte er in der Absicht der Täter, vielleicht hätte sich ohne seinen ersten Schlag die Bedrohung ohne weitere Gewalt aufgelöst. Wer immer in eine ähnliche Situation gerät wie Brunner, wird dessen Fall vor Augen haben, im Guten wie im weniger Guten, und: immer im Ungewissen. Nur das Gericht hat Klarheit geschaffen – zu Recht.
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