Was Wissen schafft: Die wirkliche Seuche heißt Mugabe
Cholera ist leicht zu bekämpfen – auch in Simbabwe. Alexander S. Kekulé über die Seuche und das Schlachtfeld der Politik.
Seuchen müssen nicht nur mit den Waffen der Medizin, sondern vor allem auf dem Schlachtfeld der Politik bekämpft werden. Den Todeszug der Malaria, der alljährlich zwei Millionen Tote fordert, kann nur eine Verbesserung des Lebensstandards in den armen Ländern der Tropen beenden. Die Tuberkulose fordert ebenso viele Todesopfer, weil Geld für Medikamente und Behandlungsmöglichkeiten fehlt. Aus demselben Grund ist Aids im südlichen Afrika und anderen Entwicklungsregionen nicht unter Kontrolle zu bringen.
Bei keiner anderen Krankheit ist der Zusammenhang mit den sozialen und hygienischen Verhältnissen jedoch so eindeutig wie bei der Cholera. Sie wütete einst auch im reichen Mitteleuropa, bis Kanalisationen gebaut wurden, die das Frischwasser vom Abwasser trennen. In Hamburg, das damals noch eine mittelalterliche Wasserversorgung hatte, starben bei der schweren Epidemie 1892 fast 9000 Menschen. München, das auf Anraten des politisch einflussreichen Hygienikers Max von Pettenkofer bereits 1874 eine Kanalisation bauen ließ, wurde von der Seuche verschont.
Cholera ist die politischste aller Seuchen – auch noch im 21. Jahrhundert. Seit August tobt sie in Simbabwe. Das 12-Millionen- Land war einst die Kornkammer Afrikas, die britischen Kolonialherren hatten eine funktionierende Wasserversorgung und vorbildliche Krankenhäuser hinterlassen. Doch die Diktatur Robert Mugabes verwandelte die Kornkammer in ein Schreckenshaus. Die Menschen hungern, die Kanalisation ist außer Betrieb, die meisten Krankenhäuser wurden geschlossen – das perfekte Vorspiel für einen großen Auftritt der Cholera.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden in Simbabwe bereits 18 400 Erkrankungen und 978 Todesfälle gemeldet; wenn im Frühjahr die Regenzeit kommt, werden sich die Zahlen voraussichtlich verdoppeln. Die Dunkelziffer liegt ohnehin weit höher. Mugabe behauptet seit Wochen dreist, die Seuche sei unter Kontrolle. Am Wochenende ließ der greise Diktator verkünden, die Cholera sei von den Briten verbreitet worden, als „rassistischer Terrorangriff“, um mit diesem „biologischen Krieg“ eine Invasion vorzubereiten.
Der Seuchenerreger Vibrio cholerae ist allerdings alles andere als eine biologische Waffe. Die Cholera ist nämlich, zumindest theoretisch, einfacher zu bekämpfen als Schnupfen. Die kommaförmigen, unter dem Mikroskop vibrierenden „Vibrionen“ werden ausschließlich über verseuchtes Trinkwasser und damit verunreinigte Nahrung aufgenommen. Wer nur abgekochtes Wasser verwendet, bekommt keine Cholera. Weil der Erreger zudem nur von erkrankten Menschen ausgeschieden wird, ist die Abtrennung der Toilettenabwässer essenziell: Mit Cholera kann man sich nur infizieren, wenn Wasser oder Nahrung Spuren von Menschenkot enthalten. Doch selbst nach der Infektion ist der Tod alles andere als unausweichlich. Bei guter Abwehrlage entwickeln die meisten Menschen nur eine Magen-Darm-Verstimmung, zwei Drittel der Infizierten zeigen überhaupt keine Symptome. Nur bei etwa fünf Prozent führt sie zum Tod.
Tragischerweise wären selbst bei dieser gefährlichen „Cholera gravis“ die meisten Todesfälle vermeidbar, wenn die verlorene Flüssigkeit schnell genug ersetzt wird. Bis vor einigen Jahren galt es als unmöglich, das Wasser auf oralem Wege zu ersetzen, weil Vibrio cholerae ein Toxin produziert, das die Wasseraufnahme im Darm blockiert – wer keine teuren Infusionen bekam, hatte deshalb kaum eine Chance. Doch dann fanden Tropenärzte durch Zufall heraus, dass eine Mischung aus Wasser, Salz und Zucker auch bei Cholera hervorragend über den Darm aufgenommen wird. Der Transportmechanismus für Zucker, der durch Choleratoxin nicht blockiert wird, kann nämlich Wasser und Salze mitschleppen. Das rettende Rezept ist auch in Afrika praktisch überall verfügbar: Abgekochter Tee oder Wasser mit einem Löffel Salz und einem Löffel Zucker. Nur wissen das die meisten in Simbabwe nicht. Aufklärung und internationale Einmischung tut deshalb not. Die Seuche kann nicht von Wissenschaftlern, sondern nur von Politikern besiegt werden.
Übrigens bekämpfte Max von Pettenkofer vehement die (richtige) Theorie seines Rivalen Robert Koch, dass die Vibrionen an der Cholera schuld seien. München verdankte seine Kanalisation also weniger den wissenschaftlichen, als den politischen Fähigkeiten des berühmten Hygienikers.
Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle.
Alexander S. Kekulé
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